von Marianna Vogt
«Holly, wie war eigentlich die AltstadtfĂŒhrung? Du hast gar kein Wort darĂŒber verloren.»
«Toll, einfach groĂartig, Frau MĂŒller. Barbara, die FĂŒhrerin, sie wohnt schon ĂŒber vierzig Jahre in der Altstadt von ZĂŒrich, hat uns durch ihr âDörfliâ gefĂŒhrt. Sie macht keine 0815 FĂŒhrungen so mit Jahreszahlen, Baukunst und sonst so langweiligem Zeugs. Nein, Barbara erzĂ€hlt Geschichten die in keinem Geschichtenbuch geschrieben stehen. Als die FĂŒhrung zu Ende war, haben alle Teilnehmer in der GeschichtenbĂ€ckerei, so heiĂt der Ort, wie wild drauflos geschrieben â die kamen so richtig in Fahrt.»
Holly machte eine Pause und Frau MĂŒller kam zu Wort: «Was hast du geschrieben, Kindchen?»
Holly schaute ihre Chefin verdutzt an. «Ich kann doch nicht schreiben, Frau MĂŒller», entgegnete sie.
«Doch jeder kann schreiben.» Sie stand auf, ging an ihr Pult und legte dann fĂŒnf WĂŒrfel auf den Tisch. Neugierig griff Holly nach einem der Kuben und drehte ihn nach allen Seiten.
«Schön nicht?» Frau MĂŒller lĂ€chelte. «Nimm die SpielwĂŒrfel in die Hand und wĂŒrfle. Mit den nach oben zeigenden Symbolen erfindest du dann eine Weihnachtsgeschichte.»
«Jetzt gleich?», fragte Holly ĂŒberrascht.
«Ja, ich erlaube dir eine 30-minĂŒtige Pause. WĂ€hrend dieser Zeit schreibst du eine Minigeschichte.»
Holly wĂŒrfelte und betrachtete die Symbole ganz genau.
«Gut, die Zeit lĂ€uft ab jetzt. Wenn du frĂŒher fertig bist, gibst du mir Bescheid», befahl Frau MĂŒller und lieĂ Holly allein.
Holly verschrĂ€nkte die Arme und dachte angestrengt nach. Kurze Zeit spĂ€ter klatschte sie freudig in die HĂ€nde, setzte sich an den PC und tippte die Geschichte ein. Als sie damit fertig war, rief sie stolz durch die offen stehende TĂŒr: «Frau MĂŒller, Frau MĂŒller, erledigt.»
Die Chefin kam mit Riesenschritten herbeigeeilt: «Schon fertig?», fragte sie ĂŒberrascht. «Ich bin gespannt, lies sie mir bitte vor!»Â
Mit geröteten Wangen begann Holly zu lesen: «Es war einmal eine ganz traurige Weihnachtstanne. Ausser einem kleinen goldenen Stern trug sie keinerlei Schmuck. Sie wĂŒnschte sich nichts sehnlichsteres als eine wunderschöne Weihnachtsdeko. Der alte Waldgeist vernahm von ihrem auĂergewöhnlichen Wunsch und huschte geschwind zur KrĂ€uterhexe. Diese öffnete ihren Taschenspieler-Apparat und schwang ihren Zauberstaub: «Hokuspokus Fidibus aus grĂŒn mach bunt!» Schnell band sie die Blumen auf ihren Besenstiel und flog damit zur Tanne. Als der Baum fertig dekoriert war, sah er an sich herunter und frohlockte: «Dies ist mein schönstes Weihnachten!»
«Ich bin platt, das ist ja groĂartig Kindchen. FĂŒr diese Leistung möchte ich dich belohnen.» Sie ĂŒberreichte ihr ein PĂ€ckchen.
Zu Hause packte Holly das Geschenk aus. Es war ein Fabelbuch. Als sie es öffnete, fiel ein KÀrtchen zu Boden. Holly hob es auf und las: Zitat vom 12.12. Ein Buch ist ein Garten, den man in der Tasche trÀgt. Arabisches Sprichwort.
Die Geschichte ist eine Mischung aus MÀrchen und RealitÀt!
Titelbild: Deko Weihnachtsmarkt Aarau
© Marianna Vogt 2024-12-12