Wut-Trauer-Liebe

Juan

von Juan

Story

Als junger Mensch trug ich diesen brennenden Wunsch in mir, die Welt um mich herum zu verändern, Konvention in Freiheit und lebendiges Sein umzuwandeln. Das ist die Phase im Leben, die so einige der Glückssucher, Getriebenen, asozialen Subjekte erleben. Ich war voller Wut, und leider auch voller Hass und Negativität, dass nur Liebe Hass umwandeln kann, habe ich erst viel später gelernt. „He wanted to change the world, but the world changed him.“ Dieser Satz aus einem Lied, das aus dieser Periode stammt, wurde 1999 unter dem Albumtitel „Going nowhere fast“ veröffentlicht. Ich wollte etwas tun, um dieses spießige, angepasste, von Vorurteilen und Oberflächlichkeit geprägte Konstrukt aufzubrechen. „Going nowhere fast“ ist als eine Kritik an der immer schneller werdenden, immer schneller rotierenden Menschenwelt um uns herum zu verstehen. Volle Geschwindigkeit, aber eben ohne Richtung, ohne Ziel, das nicht in Massenkonsum und technischer Entwicklung liegen kann, wenn mensch auf dieser Reise, diesem Trip sich selbst verliert. Wenn Seelenfrieden, Stille, Sensibilität und innerer Frieden dabei auf der Strecke bleiben, verschüttet werden unter Bergen von neuen „Dingen“, die wir konsumieren sollen. Ich habe das System durchschaut. Der Kapitalismus will überhaupt keine zufriedenen, ausgeglichenen Menschen, weil diese viel weniger einkaufen und sich neue Hüllen zulegen. Frustration und Lieblosigkeit müssen mit ständig neuen Käufen betäubt werden. Mir wurde bewusst, dass wir irgendwie fast alle fehlgeleitet und ziemlich kaputt sind, weil wir vergessen haben, was wirklich von Bedeutung ist. Meiner Ansicht nach ist das ganz simpel. Wir möchten einfach nur glücklich sein, versuchen diesen Zustand aber durch falsche Mittel zu erreichen. Was Neues kaufen kann erst mal glücklich machen, geht aber schnell vorbei, dann braucht man schon wieder was Neues. Dauerhaft glücklich machen zufrieden sein, mit dem, was man hat, Dankbarkeit, Liebe, menschliche Wärme, mit sich im Reinen sein, Kunst, Kreativität, Musik… Du kannst in einer Millionenstadt leben und Dich trotzdem wie der einsamste Mensch fühlen. Allein, für sich sein, ist gut und wertvoll, angenehme, nährende Gesellschaft ist aber auch wichtig, Einsamkeit produziert mit der Zeit Verbitterung. Viele von uns sind einsam, weil immer mehr Menschen verlernen, füreinander da zu sein, und Schwächen bei anderen verteufeln und sich darüber lustig machen. Dabei ist gerade da Mitgefühl und Hilfe angesagt. Nach der Wut kam die Trauer, die Depression, die Hoffnungslosigkeit, das Ohnmachtsgefühl, sowieso nichts ändern zu können. Können wir doch. Direkt bei dem nächsten Menschen, der/die uns über den Weg läuft. Ein Lächeln, Anteilnahme, Zuhören, Liebe geben. Wenn die nicht erwidert wird, liegt das nur daran, dass mein Gegenüber in der oben beschriebenen Zwickmühle, in diesem Teufelskreis aus Frust und Verbitterung gefangen steckt. Aber selbst dann ist so was nie umsonst. Wir kriegen Liebe irgendwann zurück, vielleicht da wo wir es gar nicht erwarten. Erinner Dich nur mal daran, wie gut es getan hat, als Du zum letzten mal angelächelt wurdest, ein Mensch ehrliches Interesse daran hatte, wie es Dir geht, Du eine Umarmung oder einen Kuss bekommen hast, jemand Dir Glück gewünscht hat. Das heilt. So können wir die Welt verändern.


© Juan 2024-12-01

Genres
Lebenshilfe
Stimmung
Emotional, Hoffnungsvoll, Reflektierend