von DanielaEDori
Meine beiden Jüngeren spielen mal wieder Fußball im Zimmer des Mittleren. Fußball in der Wohnung mag ich im Grunde gar nicht, aber da sie ganz viel Kreativität dabei einsetzen, kann ich es in der akzeptablen Zone ansiedeln. Ich freue mich, wenn ich sie lauthals lachen höre. Außerdem entsteht so ein Freiraum für mich.
Bei jedem dieser Spiele kippt jedoch die Stimmung nach einer Weile. Die Kleine kann nicht verlieren oder hat andere Vorstellungen und beschwert sich. Der ältere Bruder kann damit nichts anfangen und reagiert wie das eben Elfjährige gern machen: „Wieso zickst du jetzt so rum?“ Das bringt den Wutzwerg noch mehr in Rage und das ganze endet in einem Chaos, wo jeder nur noch verlieren kann – mein Gehörsinn miteingeschlossen.
Lautstarkes Gekreische. Schimpfwörter, von denen ich nicht einmal weiß, was sie bedeuten. Knallende Türen. Tritte. Haare zerren. Zwicken. Beißen. Kratzen. Viel ist nicht mehr übrig von den beiden Kindern, die gerade noch sehr friedlich Regeln ausgefeilt haben für ihr ganz individuelles Fußballspiel.
Für viele sind Streits zwischen Kindern anstrengend und kräftezerrend – ich zähle mich dazu. Wenn ich das Gezanke um eine Lappalie von außen betrachte, bleibt mir meist nur der Griff an die Stirn. Lohnt es sich, wegen ein paar Zentimetern, um die der Ball eventuell das improvisierte Tor verfehlt hat, einen riesigen Streit vom Zaun zu brechen? Aber naja, Kriege wurden wohl auch schon wegen weniger angezettelt. Und hey, das ist ja das Tolle an Kindern: Sie sind einfach noch extrem heiß drauf, ständig zu lernen.
Unterdrückung oder Regulierung ihres Emotionsausdrucks ist ihnen dann auch noch völlig fremd – die sind in dem entscheidenden Moment nur mehr Emotion pur. So anstrengend es von außen wirkt, von innen ist das wohl noch viel heftiger. Sie benötigen dringend jemanden, der ihnen in dieser Situation Halt, Sicherheit und Geborgenheit vermittelt. Jemand, der nicht mit der Emotion schwingt, sondern außerhalb der Emotion bleiben kann. Jemand, der in ihnen nicht das Emotionsmonster sieht, das man am liebsten gleich loshaben möchte, weil es einen mitreißt und vollkommen aus der Balance bringt. Jemand, der bereit ist, selbst über die eigenen Grenzen zu gehen und trotzdem bei sich zu bleiben.
Ich versuche es immer wieder, diese Person zu sein. Wenn es gelingt, entsteht daraus ein wunderbar verbindender Moment. Ein Moment in dem wir gemeinsam durch eine heftige Emotion gehen – uns dieser gemeinsam voll hingeben. Uns nicht irgendwie flüchten. Wir lernen und wachsen dann miteinander. „Ich mute mich dir in meiner Gesamtheit zu und du liebst mich so wie ich bin!“ Eine solch stürmische Begegnung ist oft die größte Liebeserklärung. Das sind mitunter die schönsten Geschenke, die wir aus der Eltern-Kind-Beziehung mitnehmen können.
Foto: Jordan Whitt @ Unsplash
© DanielaEDori 2020-09-28