X. beschließt zu sparen

Story

Eines Tages beschloss X., dem Zeitgeist entsprechend, zu sparen. Nur wobei sollte er sparen? X. war wirtschaftlich gut gestellt und hatte eigentlich keine Veranlassung zur Sparsamkeit. Zudem lag ihm auch Verzicht nicht sonderlich, denn er war ein Wohlstandskind gewesen und Entbehrungen hätten sein Wohlbefinden erheblich gestört.

Was also konnte er tun, um zu sparen? Nach langem Nachdenken erkannte er, dass er auf nichts verzichten musste, wenn er etwas gratis bekam, wofür er sonst bezahlen hätte müssen, und das er auch nicht einsparen konnte, weil er es unbedingt brauchte. Das Sammeln von Gratisproben in diversen Geschäften war wenig zielführend, denn die geschenkten Dinge waren für ihn oft absolut unbrauchbar. Das Mitnehmen von Zuckerpäckchen im Kaffeehaus schien ihm anfangs eine gute Möglichkeit, aber es war peinlich, heimlich die kleinen Säckchen in die Sakkotasche gleiten zu lassen, denn man war ja nie unbeobachtet, und er wollte in der Meinung der Menschen ja nicht schlecht dastehen.

Schließlich kam X. nach einem langen Nachdenkprozess, dessen einzelne Stationen hier nachzuvollziehen zu weit führen würde, zu der Überzeugung, das Mitnehmen von Klopapier aus öffentlichen Toiletten, Restaurants und dgl. wäre eine gute Möglichkeit, etwas einzusparen, denn Klopapier brauchte er natürlich wirklich, und die Gefahr gesehen zu werden war gleich null, denn in der Kabine war man ja allein und Kameras auf Toilettenanlagen waren, so viel er wusste, überhaupt verboten.

So begann er überall, wo er außerhalb seiner Wohnung eine Toilette aufsuchte, Nachschau zu halten, ob mitnehmbare Klorollen vorhanden waren oder ob das Papier aus großen, abgeschlossenen Spendern kam. Lokale und Geschäfte, die keine Rollen in normaler Größe zur Verfügung stellten, strich er sofort aus seiner Liste, während er andere Örtlichkeiten, die sich als zuverlässige Quelle von Klopapier erwiesen, fortan regelmäßig besuchte. Bald hatte er einige besonders erfolgversprechende Routen durch die Stadt ausgearbeitet.

Für den Transport des Papiers trug er von nun an stets einen Aktenkoffer und einige Plastiksäcke mit sich herum. Bald verbrachte er seine gesamte Freizeit damit, die Toiletten in Lokalen und Geschäften aufzusuchen. Oft musste er zwischendurch sogar heimfahren, um seine Beute abzuladen, und bald war seine Toilette zu klein, um all die Rollen aufzunehmen, die sich folglich bald in seiner gesamten Wohnung breitmachten, aber er musste natürlich einen gewissen Vorrat anlegen, falls er beispielsweise einmal krank werden sollte.

X. errechnete täglich den Wert seiner Beute, der bald beträchtlich war, und als er schließlich begann, sich wissenschaftlich mit statistischen Fragen des Klopapierverbrauchs auseinanderzusetzen, erwog er, nachdem er erkannt hatte, dass Frauen wesentlich mehr Klopapier verbrauchen als Männer, ernsthaft eine Geschlechtsumwandlung, denn infolgedessen hätte er noch mehr sparen können.

© 2022-06-12