von Rabea Richter
Man hat den Abschluss in der Tasche, man hat seinen Lebenslauf erweitert, seine Erfahrungen gemacht, seinen Soll erfüllt, seine Eltern hoffentlich stolz gemacht. Doch was passiert nun? Darauf hat uns niemand vorbereitet. Nach der Schule war klar, man macht entweder ein FJS, ein FÖJ, ein Auslandsjahr, man geht zum Bund, man fängt direkt eine Ausbildung oder ein Studium an oder man geht Reisen (falls man sich das leisten konnte). Alle Freunde haben sich für etwas davon entschieden, alle haben zufrieden genickt, wenn man davon etwas erwählt hat. Was habe ich gemacht? Ich habe ein Au Pair in Australien gemacht (damals wusste ich noch nicht, dass es so ein Trend werden würde haha). Wenn ich das dann Leuten erzählte, haben sie zufrieden genickt, Fragen gestellt, mich ermutigt und waren begeistert oder mindestens zufrieden. Danach habe ich mich für ein Studium entschieden, alle haben wieder zufrieden genickt, Fragen gestellt, mich ermutigt und waren glücklich. Und nun? Master? Noch mal ins Ausland? Praktikum, Job, Traineeship? Und wenn ja, wo und bei wem und wie lange und für wie viel und was genau und wieso….arrrrrrgh. Zu viel Auswahl für zu wenig Entscheidungsgeist. Und jetzt, wenn Leute fragen: „Und, was machst du jetzt so?“ Dann antworte ich entweder, dass ich mich derzeit bewerbe oder eine Pause mache oder es nicht weiß. Die Reaktion hat sich nun geändert, sie reagieren stutzig, merken dann, dass sie dennoch unterstützend sein wollen, und lächeln und sagen etwas wie „Ach, du bist noch jung und hast noch so viel Zeit.“Tob dich aus, geh reisen. Arbeiten kannst du noch dein Leben lang.“ Und das ist auch alles richtig, aber das macht es nicht einfacher. Alle um einen rum starten ihre Karriere oder ihren Master oder sonst was. Ich würde gern reisen. Also brauche auch ich einen Job, um mehr Geld zu verdienen, um mehr Reisen zu können. Und wenn ja, wo und bei wem und wie lange und für wie viel und was genau und wieso….arrrrrrgh. Man bekommt das Gefühl, wenn man das Abschlusszeugnis vor sich sieht „Herzlichen Glückwunsch, Sie haben nun ihre Zeit der Entscheidungslosigkeit hinter sich. Tun Sie nun etwas mit Ihrem Leben. Aber passen Sie bloß auf, es gibt so viel Konkurrenz da draußen, suchen Sie bloß das Richtige für sich.“ Arrrrrrrgh. Egal, wofür man sich nun entscheidet, es wird immer einen anderen Weg geben und eine Entscheidung, die zu Anderem geführt hätte. Und obwohl es ja auch etwas Schönes ist, dass man nun wieder Neues starten und ausprobieren kann, so ist das Abgeben von Entscheidungen sehr bequem (das rede ich mir jedenfalls ein haha). Dennoch denke ich mal, es gibt wohl kein Richtig oder Falsch, schließlich ist es das eigene Leben. Und meine Erkenntnis ist ebenfalls, dass es oft nicht so wichtig ist, was genau man erzählt, um bei Leuten die Reaktion des zufriedenen Nickens hervorzurufen. Letztendlich ist jeder sowieso sehr mit seinem eigenen Leben beschäftigt – jeder ist seine eigene Hauptrolle. Lediglich das Ungewisse macht Menschen nervös. Daher beruhigt ein Plan viele Leute. Selbst wenn man verkündet, in den Regenwald zu ziehen, um bedrohte und verwundete Insekten zu retten. Man ist wohl immer Herr oder Frau oder etwas Anderes der Lage und seines eigenen Lebens. Daher sollte das einzig wichtige zufriedene Nicken das eigene sein. Denn wir sind die, die unser Leben leben und es daher gestalten sollten, wie es uns am buntesten erscheint.
© Rabea Richter 2023-09-09