Yella, Gabriele Freiin v. Spielmann (1835 – 1857) St.Marxer Friedhof
All diese unbekannten Gräber, all die Namen, hinter denen unbekannte Lebenswege stehen, erzählen ihre eigenen Geschichten, die schwer zu fassen sind. Beim Spazieren durch die verwachsenen Grabreihen, macht mich neugierig, welches Schicksal sich hinter dem einen oder anderen Grabstein verbirgt und ob sich vielleicht noch etwas darüber finden lässt. Der ungewöhnliche Name auf einem hohen schmalen Grabstein lässt mich innehalten. Oberhalb der Inschrift ist eine Mädchenbüste mit Engelsflügel wie hineingestellt. Die Arme hält sie zum Gebet abgewinkelt, in der linken Ellenbeuge hält sie eine abgeknickte Fackel. Ein Symbol für das erloschene frühzeitige Leben? Oder ist es eine abgeknickte Lilie, die auf ihr makelloses Leben hinweist, wie in den Abschiedsworten: Hier ruhet Yella. Ihr Leben liegt faltenlos und leuchtend ausgebreitet. Kein dunkler Flecken blieb darin zurück. Freiin v. Spielmann, gestorben im 23. Lebensjahre am 9. Jänner 1857. Allerdings weist nichts darauf hin, wer sie betrauert, kein Ruhe in Frieden oder Unvergesslich wie an vielen Grabsteinen. Wer war Yella? Sie war die Tochter eines Freiherrn von Spielmann im ersten Bezirk in Wien. Ihr Vorname war Gabriele, liebevoll Yella genannt. Ursprünglich stammt der Name Yella aus dem hebräischen und ist eine Kurzform des Vornamen Gabriele. Diese Erklärung passt zu ihrem Vornamen, doch inwieweit sie hebräische Wurzeln hat, konnte ich nicht herausfinden. Freiin ist der Titel der unverheirateten Tochter eines Freiherrn. Der Familienname Spielmann wiederum hat seine Wurzeln im mittelalterlichen Beruf des Spielmanns. Ein Spielmann war ein Musiker oder Entertainer, der bei verschiedenen Anlässen wie Festen, Märkten und in Adelskreisen auftrat. Der Name Spielmann ist also berufsbedingt und weist auf die Tätigkeit des Vorfahren hin, der vermutlich als Musiker oder Unterhaltungskünstler tätig war. Vielleicht ist ihre Begeisterung für den Tanz dadurch begründet. Sie wurde Balletttänzerin am K.K. Kärnterthortheater schon mit jungen Jahren, sie war fleißig und diszipliniert. Mit ihrer schlanken Taille, ihrem reizenden Aussehen und ihren dunklen Haaren konnte sie das Publikum verzaubern. Die Ballerina Fanny Elssler tanzte ebenfalls am K.K.Kärntnerthortheater, ein Vorbild für Yella, die ebenfalls eine weltberühmte Tänzerin werden wollte. Eine große Chance ergab sich, als sie ausgewählt wurde in St. Petersburg zu tanzen. Im 19. Jahrhundert war St. Petersburg Hauptstadt des Russischen Kaiserreichs, ein bedeutendes kulturelles Zentrum, insbesondere für Ballett und Oper. Yella Gabriele Freiin von Spielmanns Auftritt 1854/55 in Jules Perrots Faust in St. Petersburg war ein wichtiger Meilenstein in ihrer Karriere. Sie tanzte als Partnerin von Marius Petipa, der als Premier Danseur und Choreograph ab 1847 in St. Petersburg am Mariinski-Theater großen Einfluss hatte. Yella liebte das Tanzen und sie nahm viele Strapazen auf sich. Sie wurde schwächer und musste voll Ängste gewesen sein, ihr Tanzen aufgeben zu müssen. Ehe ihre große Karriere beginnen konnte, starb sie am 9. Jänner 1857 im 23. Lebensjahr an Lungenlähmung in Wien, lt. Wr. Zeitung vom 13.1.1857. Lungenlähmung war bis in das 19. Jahrhundert die allgemeine Bezeichnung für eine Todesursache durch Atemstillstand nach Lungenversagen. Die genauere Ursache kannten die Mediziner damals noch nicht.
© Heidemarie Brezina 2024-06-11