Zäune in unserer Gesellschaft

Anneke Koch

von Anneke Koch

Story
Stadt 2025

Tagebucheintrag von Mara – Meine Meinung zu den Leuten auf der anderen Seite unserer Stadt


In unserer Stadt gibt es zwei Seiten. Einmal die Seite, auf der ich wohne, wo die Menschen nicht so viel haben, aber gerne teilen. Dann gibt es die Seite von einem Freund von mir, wo alle Einwohner reich sind, jedoch nicht viel miteinander zu tun haben. Zwischen den beiden Seiten ist eine große Mauer. Doch ist das einzige, was uns voneinander trennt?


Ich denke, dass nicht. Denn ich vermute, dass man nicht alle Zäune richtig sehen kann, es sie jedoch gibt. Stellen wir uns einmal einen alten, rostigen Gartenzaun vor, an dem wir jeden Tag vorbeilaufen. Diesen Zaun kann man sehen. Er versperrt einem den Weg zu einem Grundstück und grenzt damit die Straße von einem privateren Teil ab. Die, wie ich finde, echten Zäune gibt es nur in unseren Köpfen. Sie sind ein Teil unserer Gedanken, die uns zum Beispiel vor etwas beschützen wollen. Diese Zäune sind auch dafür da, dass wir richtig miteinander umgehen. In der Schule kann man das gut erkennen, manche reden nur mit bestimmten Menschen oder werden von anderen ignoriert. Hierbei herrscht eine unsichtbare Barriere. Niemand hat davor einen Zaun gebaut, der einem den Weg zu den anderen Menschen verboten hat. Allein die Blicke, das Schweigen und das schnelle Ausschließen führen zu einer unsichtbaren Mauer. Auch zu Hause kann man diese „Zäune“ oft spüren. Wenn die Eltern am Essenstisch etwas sagen wie: „Du sollst dich von den Menschen auf der anderen Seite fernhalten! Sie sind kein guter Umgang für dich“ Diese unsichtbare Grenze scheint für einen selber viel stärker zu sein. Viel stärker als zum Beispiel unser am Anfang erwähnter Gartenzaun. Neulich war ich mit einem guten Freund in der Stadt. Obwohl meine Eltern mir gesagt haben, dass ich mich davon fernhalten sollte, habe ich mich getroffen. Unser Treffen war sehr schön. Wir haben viel gelacht und uns tolle Geschichten erzählt, doch irgendwie war es komisch. Trotz der schönen Atmosphäre haben wir beide eine unsichtbare Barriere gespürt. Ein Zaun oder eine Mauer zwischen den beiden Seiten unserer Stadt blockierte irgendwie unsere freundschaftliche Beziehung. Mein Freund und ich konnten nicht sehr gut über unsere Familien reden, denn unsere Eltern sprachen nicht nett über die andere Seite. Dieser Zaun besteht aus Worten, Vorurteilen und Ängsten, die man uns als Kinder eingeredet hatte. Und genau diese unsichtbaren Zäune sind die schlimmsten. Die Menschen nehmen sie nicht wahr, da sie denken, sie existieren nicht. Den alten Gartenzaun vom Anfang könnte man einfach übermalen oder herüberklettern. Aber diese unsichtbaren Zäune in unseren Köpfen? Die kann man nur mit Mut, Offenheit und dem Wunsch, sich wirklich zu verstehen, niederreißen. Ich will daran glauben, dass wir das schaffen können. Dass wir irgendwann nicht mehr durch solche Mauern getrennt sind – egal ob sichtbar oder nicht.

© Anneke Koch 2025-07-05

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Romane & Erzählungen
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