Zeit zu gehen

Klaus P. Achleitner

von Klaus P. Achleitner

Story

Für Papa. „Der perfekte Zuhörer“.

Wir haben es kommen sehen und dennoch, jetzt, wo es so weit ist, will ich es nicht wahrhaben. Auf leisen Sohlen hat er sich herangeschlichen, Gevatter Tod, um Dich aus unserer Mitte zu reißen. Deine Hand in der Hand meiner Schwester hast Du uns nochmal angeschaut. Dann bist Du friedlich eingeschlafen.

Dein 88. Lebensjahr konntest Du nicht mehr ganz vollenden. Das Begräbnis fällt genau auf Deinen Geburtstag. Geboren in eine Zeit der politischen Unruhe auf einem Bauernhof, in einem ungeheizten Zimmer, in dem der Raureif an den Wänden klebte. Aufgewachsen anfangs unter einem unmenschlichen Regime, hast Du als Kind noch den Krieg miterlebt. Prägender noch war die Nachkriegszeit, der Wiederaufbau des zerstörten Landes und der folgende Wirtschaftsaufschwung.

Du hast einen kleinen Bauernhof übernommen, Deine Jugendliebe geheiratet, mit der Du vor kurzem noch diamantene Hochzeit (60 Jahre) gefeiert hast. Ihr habt vier prächtige Kinder in die Welt gesetzt, zu denen ich mich auch zählen darf. Die Arbeit hast Du nie gefürchtet, hast angepackt, wo es nötig war. Am Bauernhof gabs kein freies Wochenende und Urlaub war für Euch lange Zeit ein unbekanntes Wort.

Die Musik war Dein Steckenpferd und Deine Leidenschaft. Jahrzehnte lang Mitglied in zwei Blasmusikkapellen, daneben eine eigene Volksmusikband gegründet mit Deiner Ehefrau als Sängerin. Ich entsinne mich einiger Heimatabende, zu denen ich als Kind mitfahren durfte (eher musste). Musik im Herzen, ein Lächeln im Gesicht, ein echter Musikant eben.

Du hast mir eine gute Ausbildung ermöglicht und an mich geglaubt, als ich den ersten Jahrgang der HAK wiederholen musste. Geschimpft hast Du manchmal (meist zurecht), aber Du konntest nie lange böse sein. Böse Worte waren nicht Dein Metier. Von Dir und Mama habe ich alles an Rüstzeug mitbekommen, was ich für mein Leben brauche. Ein besseres Vorbild könnte ich mir nicht wünschen.

Bis zum 82. Lebensjahr hast Du ein selbst bestimmtes fröhliches Leben geführt. Dann kamen ein unglücklicher Sturz und in infolgedessen gesundheitliche Probleme, die Dich die letzten fünf Jahre zu einem Pflegling machten. Und Du warst ein guter Patient, hast nicht gejammert, nicht geklagt und Dein Schicksal angenommen. Liebevoll gepflegt von Deiner Frau.

Du warst Zeit Deines Lebens für Deine Familie da und nun war Deine Familie für Dich da, als Du Dich langsam in ein hilfloses Wesen zurückverwandelt hast. Nun bist Du erloschen, Dein großes und bis zuletzt gesundes Herz hat aufgehört zu schlagen. Im Kreise Deiner Familie, in dem eigenhändig erbauten Haus, hast Du diese Welt verlassen, um an einem besseren Ort weiterzuleben.

Danke Mama, dass Du den Großteil der Pflegearbeit übernommen hast, Danke auch der Heimhilfe der Caritas, unserem Hausarzt, dem medizinischen Personal im Salzkammergut-Klinikum Vöcklabruck und anderen Krankenhäusern, der Hospiz-Bewegung und der ganzen Familie.

© Klaus P. Achleitner 2021-12-08

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