Zeitreise

Sabrina Wiegel

von Sabrina Wiegel

Story


Hey ich bin Paula, geboren bin ich 1990 in einer kleinen Stadt in NRW, als jüngstes, von vier Mädchen in unserem Familiensystem. Wir waren eine Patch-Work Familie. Ich empfand da nie einen Unterschied, ob wir nun alle einen gemeinsamen Vater oder Mutter haben. Meine älteste Schwester habe ich nie kennengelernt und gleichzeitig war sie immer da, immer ein Teil und ich habe schon immer gesagt: „Ich habe drei Schwestern.“An die ersten Jahre meines Lebens habe ich nicht allzu große Erinnerungen. Mir fällt ein, dass wir ein Haus hatten, in dem wir gemeinsam mit den Großeltern Ulla und Jürgen sowie meiner Urgroßmutter Edda lebten. Sie sind die Herkunftsfamilie meiner Mutter. Sie hat noch einen jüngeren Bruder Peter. Ich erinnere mich noch an Wellensittiche, Enten, Tauben, Hasen und selbst gepflanzte Blumen, an meine zwei großen, Schwestern die sehr eng miteinander verbunden waren, an unseren Schäferhund und daran das ich viel mit Mama alleine gewesen bin. Ich sehe in den Erinnerungen meine Uroma, die nur ein Bein hatte und in einem separaten Zimmer unten im Flur wohnte, und sie hatte ein Bett, was anders aussah und eine Fernbedienung hatte. An diese Fernbedienung durfte ich nicht dran, da wurde sie laut. Weitere Gedankenbilder sind, die Apfelschnittchen, die sie mir schnitze, das Kartenspiel „Mau-Mau“, dass sie mich lehrte. Es gab im Haus eine für mich extrem große, steile Treppe die zu unserem oberen Bereich führte.

Meine Geschwister gingen in den Kindergarten und ich nicht. Mama sagte immer, dass ich ihr letztes Kind sei, sie deshalb mit mir die Zeit genießen wollen würde. Wir machten Spaziergänge mit unseren Hunden und danach hatte Mama viel zu tun. Ich erinnere mich daran, dass Papa oft weg war, lange arbeiten musste und gerade anfangs nur an den Wochenenden zu Hause war. Und daran, wie sehr Mama geweint hat, wenn er dann wieder gefahren ist. Ich erinnere mich auch an draußen spielen und mit dem Hund im Zwinger liegen und kuscheln. Eines Abends bin ich einfach aufgestanden und barfuß im Schlafanzug mit einem Körbchen losgelaufen, um Brötchen zu holen. Und ein Mann sprach mich an und brachte mich nach Hause. Wie sauer Mama war, als er klingelte. Ich erinnere mich an Lachen, Spielen, Leichtigkeit und gleichzeitig auch an Unsicherheit, laute Stimmen, Wut, Geschrei, Angst. An eine Nacht, als die Polizei vor der Tür stand. An das Blaulicht, dass ich oben von der Treppe aus sah. Ich weiß noch, unten in Omas Küche waren alle außer sich, hatten Angst, waren wütend, haben geschrien. Es war folgende Situation: Meine Schwestern waren beim Ballett als meine Mama geweint hatte, weil sie wohl einen Anruf bekam, dass mein Opa sich das Leben nehmen wollte und er im Krankenhaus war.

Ich weiß noch, dass zwischen uns Kindern Unterschiede gemacht wurden, sodass ich als jüngste Tochter (Nesthäkchen) oft Vorteile hatte, zum Ärger meiner älteren Schwestern. Ich glaube, das ist wohl-möglich in den meisten Familien so. Und an eine Flucht mit Mama und meinen Schwestern in eine kleine Gartenhütte bei Freunden, weil irgendwas passierte als Papa unterwegs war und an viele Umzüge.

© Sabrina Wiegel 2024-08-19

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