Zerrspiegel

Zerrspiegel

(Tamara S.)

Ich sehe in den Spiegel und schaue mir ins Gesicht.

Der Spiegel ist rissig, ein paar Teile fehlen, aber er ist immer wieder fahrig und unordentlich zusammengesetzt worden.

Mein Blick wandert in die Mitte des Spiegels. Dort klafft eine Lücke, die einmal von einem großen schillernden Stück ausgefüllt worden ist. Inmitten dieser Lücke sind ein paar vereinzelte Scherben, die hartnäckig darin kleben.

Ich denke zurück.

Du hast damals die letzte Grenze überschritten.

Deine Worte hatten schon lange jeden Rahmen gesprengt. Sie waren so oft wie ein Schlag ins Gesicht gewesen. Doch diese Metapher manifestierte sich zur Realität. Und es blieb nicht bei einer einfachen Ohrfeige.

Ich weiß, du bist krank, ich weiß, du bist durch den Alkohol oft hemmungslos und das Trinken zu lassen ist für dich keine Option.

Und ich gab immer Widerwort, wühlte Vergangenes auf und fing Streit an … Ich sagte oft Worte, die dich gezielt tief verletzen sollten.

Aber Reaktion auf Aktion! Du gabst mir oft allen Grund dazu, mit dem was du so häufig im Rausch gesagt hast.

Wenn mich deine Worte nicht gebrochen haben, dann das. Jetzt muss ich ebenfalls körperlich vor dir Angst haben.

Du hast den Spiegel in mir, der ohnehin brüchig war, verbal und nun auch mit Gewalt zerstört.

Jetzt ist es vorbei. Vorbei mit uns und wir werden uns hoffentlich nie wiedersehen!

Dein Spiegel war schon rissig gewesen, als wir uns kennengelernt haben. Wie oft versuchte ich ihn zu richten, wie oft schnitt ich mich an den Scherben.

Ich habe deinem inneren Spiegel ebenso Risse hinzugefügt.

Es gibt immer zwei Seiten und deine ist ebenfalls nicht schön! Ich habe viele Fehler begangen.

Doch deine Wahrheit ist wie ein Zauberspiegel, der die Realität verzerrt und alle mit bösen Grimassen erscheinen lässt.

Ich muss nun meinen Spiegel irgendwie erneut reparieren, wie ich es schon so oft in der Vergangenheit getan habe. Denn dein Schlag hat ihn fast bersten lassen.

Und ab jetzt gebe ich besser acht, wer vor diesen Spiegel tritt und hineinschaut.

Am Ende sieht jeder nur sein Gegenbild!