Zeugen Jehovas – Sekte oder Religion?

Yasmin Lohberg

von Yasmin Lohberg

Story
Vienna

Der Vorfall nach dem Amoklauf im Königreichssaal der Zeugen Jehovas, in meiner Heimatstadt Hamburg, macht mich nachdenklich. Eigentlich gehört Religion ja verboten, immerhin bringt jede Religion Gewalt ins Spiel. Doch wer sind die Zeugen Jehovas? Man kennt sie durch ihre Anwerbungs- und Bekehrungsversuche in den Fußgängerzonen und an den Haustüren. Meine Oma trichterte mir früher immer wieder ein, ich soll nie die Tür aufmachen, wenn Menschen mit einem Heft in der Hand läuten. Sie sollen nämlich nicht nur „Der Wachturm“ und „Erwachet“ verkaufen, sondern auch predigen.

Die Zeugen Jehovas sind eine christliche Glaubensgemeinschaft mit ihrer eigenen Darstellung der Bibel, ihren Gott nennen sie Jehova. Sie behaupten, dass Jesus nicht göttlich war, darum glauben sie nicht an Jesus als Teil einer Dreifaltigkeit, sondern als ein von Gott geschaffenes Wesen. Sie sind überzeugt, dass es irgendwann einen Gotteskrieg (Harmagedon) geben wird, in dem alle Menschen, die keine Diener Gottes sind, vernichtet werden. Deshalb sollen sich die Menschen den Zeugen Jehovas anschließen, um verschont zu bleiben. Gottestreue Menschen sollen unsterbliches Leben im Himmel an Seite von Jesus erhalten.

Sie achten Gesetze, an Wahlen nehmen sie aber nicht teil, den Wehrdienst lehnen sie ab. Alkoholgenuss, Tabak, kirchliche Traditionen und Gebräuche wie Weihnachten, Ostern, Geburtstage oder die Taufe, werden ebenso abgelehnt, sie sind als „heidnische Feste“ verboten. Zeugen Jehovas dürfen keine Bluttransfusionen erhalten, da sie mit der Bibel nicht vereinbar sind. Es gibt eigene Anweisungen wie in der Notfallversorgung umgegangen werden soll. Auch dürfen keine engen Kontakte außerhalb ihrer Gemeinschaft gepflegt werden und der Kontakt zu ehemaligen Mitgliedern ist verboten. Die Ehe wird als Geschenk Jehovas angesehen, eine Scheidung ist nur möglich, wenn der Partner untreu war. Sex vor der Ehe ist verboten und ihre Bibel verbietet Homosexualität. Die Zeugen Jehovas werden oft als Sekte bezeichnet, da Aussteigen kaum möglich ist.

Ich habe damals meine beste Freundin an die Zeugen Jehovas verloren. Wir waren 19 Jahre alt, ihre Mama starb zu dieser Zeit. Sie lernte jemanden kennen, einen Zeugen Jehovas, und da sie durch den Tod ihrer Mama sehr zugänglich war, war sie begeistert von dieser Sache. Ich riet ihr ab, sprach auf sie ein. Erfolglos. Ich bekam mit wie sie sich veränderte, aber gewaltig! Eines Tages, als ich die Rolltreppe bei der U-Bahn Station hochfuhr, traute ich meinen Augen nicht. Sie stand bei der U-Bahn mit einem Heftchen in der Hand. Ich war schockiert! Ich sprach sie an, nahm sie an der Hand und sagte sie soll mitkommen, das geht doch nicht! Keine Chance. Ich sah zu wie sich meine beste Freundin veränderte und mich abwies. Ein bildhübsches Mädchen, das lebenslustig war, jeden Blödsinn mitmachte, Jungs und feiern im Kopf hatte.

Es brach mir das Herz. Immer noch ist sie dabei und es steht „Bible Teacher“ in ihrem Profil.


© Yasmin Lohberg 2023-03-11

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