Auf deutsch: Siehst du, wie blöd du bist! Die Geschichte könnte aber auch heißen: Wenn du neben mir sitzt, bin ich ein besserer Mensch. Beides war Khaled. Das Blumige, Heißblütige seiner Muttersprache Arabisch kam auch im Deutschen durch, im Positiven wie im Negativen.
Ich war 1973 von Graz nach München „emigriert“. Buchstäblich über Nacht. Studium hingeschmissen, eine Nacht durchgeheult. Am nächsten Tag Freund aufgeweckt, Geld in Deutsche Mark gewechselt. 200.- DM Startkapital für 2 Personen, im benachbarten, damals noch, Ausland. ER hatte kein „Vermögen“. Bald ging er dann auch zurück und studierte weiter, nachdem er mir u.a. ein 30-bändiges Lexikon angedreht hatte, für das er sofort Provision bekam, und ich dann noch viele Jahre lang Raten zahlte. Aber das ist eine andere Geschichte.
Khaled war Palästinenser. 1972 war in Beirut Krieg und auf der Münchner Leopoldstraße in Schwabing saßen er und gefühlt Hunderte seiner Cousins in den Cafés und diskutierten heftigst. Ich lernte ihn im Schlepptau meiner Arbeitskollegin kennen, an einer Bar im Mövenpick am Lenbachplatz.
Angie und Ebbi, einer der Cousins, waren schon ein Paar. Sie turtelten. Khaled und ich saĂźen schweigend nebeneinander. Der Cousin herrschte ihn an: Sprich toch mit Marrgarettt! Ich sagte, danke, ich kann mich selber unterhalten. Das muss dem Khaled gefallen haben. Bald fiel dann auch ich. Und es wurde so intensiv, dass er mich nach einigen Monaten seiner Mutter in Dsherrrussalem vorstellen wollte.
Vorher hatte ich ihn schon meinen Eltern – mein Gott, wie tapfer waren die beiden doch– vorgestellt. Mein Bruder Herwig war auf Besuch. Es war lustiger in München, ich war beim Film und immer war was los. Er rief in Kärnten an und sagte: Mutti, mir kemmen mit an Palästinenser ham. Aber brauchst di nit fierchtn. Khaled war nämlich sehr dunkel. Er war auch immer schwarz angezogen, Hose, Hemd, Trenchcoat, schwarze Brille –aber nicht „Schwarzer September“. Angepasst, integriert, angeblich sogar CSU-Mitglied. Wenn er mit dem Zeigefinger seine Nase ins Gesicht drückte, schaute er aus wie Sammy Davies Junior. Das machte er gern zur allgemeinen Unterhaltung.
Mutti war bald begeistert. Sie ging mit ihm zum Fleischhauer, ein ziemlicher Spiessrutenlauf in unserem kleinen Dorf. Er kannte sich besser aus mit den Weichteilen der Kuh als sie. Das imponierte ihr und auch unserem Fleischhacker. Und er machte grandiose Semmelnknödeln (Plural Karl Valentin). Mit Erbsen drin. Das blieb mir von Khaled. Geheiratet haben wir nicht.
Ich war die einzige Frau in seinem palästinensischen Umfeld und wenn er sich mit seinen unzähligen Cousins traf, setze er mich in ein Eck, mit einem Tellerchen Pistazien, und ich knabberte, bis sie fertig konferiert hatten, die Herren mit ihren arabischen Lautmalereien. Jahre später, in Salzburg, sah ich auf der Titelseite der KRONE, aus einem Flugzeug steigend, nein, nicht Khaled, den Cousin: Einer der größten Drogenhändler Europas gefasst!
© 2019-07-14