von Erwin Barilich
Seit etwa 1920 lebten Zigeuner in Jois und hatten sich an der BundesstraĂe angesiedelt, ca. 120 Personen. Es waren Roma, aber dieser Name war damals nicht ĂŒblich. 1937 beschloss die Gemeinde wegen des angesagten Bischofbesuches, die Zigeuner auf die Seewiese umzusiedeln, damit das Dorf keinen verwahrlosten Eindruck macht. Die Gemeinde errichtete dort etwa 10 einfache HĂŒtten aus Ziegel und Holz. Einige Familien lebten stĂ€ndig hier, aber es kamen auch immer wieder Zigeuner mit ihren typischen Pferdewagen. Die MĂ€nner boten in den Dörfern ihr Dienste als Scherenschleifer, Schirmmacher, Kesselflicker, Korbflechter und Besenbinder an. Die Frauen mit ihren bodenlangen Kitteln gingen oft mit einigen Kindern zum Betteln von Haus zu Haus, fragten nach einer „krepierten Henn“ oder um „ranziges Schmalz“ und man sagte ihnen nach, dass sie gerne etwas mitgehen lieĂen und galten als arbeitsscheu. Die Siedlung war etwa 150 m von unserem Weingarten entfernt, daher hatte ich einen gewissen Einblick, wie sie lebten.
So gruben die Zigeuner im Herbst die Baue der Feldhamster, „Gritsch“ genannt, aus und fanden in dem aus mehreren Kammern bestehenden Bau einige Eimer Getreide, nach Sorten getrennt, das der Hamster als Wintervorrat gesammelt hatte. Der Hamster wurde, falls sie ihn erwischten, gebraten verzehrt. Sie töteten auch Igel, drehten sie in weichen Lehm und legten sie so ins Feuer. Beim Aufschlagen dieser gebrannten Lehmkugeln blieben Stacheln und Haut in der HĂŒlle, das Innere wurde verspeist. Sie fingen auch kleine Ziesel, welche in Erdhöhlen lebten, indem sie Wasser in die Höhle gossen. Da kamen die Ziesel heraus und verfingen sich im vorgehaltenen Netz.
In der NÀhe befand sich auch der Tierfriedhof, wo man verendete Tiere begrub. Als der Schweinerotlauf in Jois grassierte, sind mehrere Schweine verendet, die man hier begraben hatte. Die Zigeuner gruben diese Tiere nach drei Tagen wieder aus und veranstalteten Festessen. Sie wurden am offenen Feuer am Spieà gebraten, denn sie waren der Meinung, dass die Erde die Krankheit nach drei Tagen ausziehe. Das Fleisch hat ihnen offensichtlich nicht geschadet. Man sagte ihnen aber auch nach, dass sie Katzen und Hunde fangen und essen. Auch bei den Weintrauben haben sie sich eifrig bedient, und die HolzpfÀhle bei den Weinreben mussten wir im Herbst immer einsammeln, sonst hÀtten sie diese verheizt.
Eines Tages wĂ€hrend des Krieges, sah ich beim Gemeindeamt mehrere Lkws stehen und die Zigeuner mussten, von SA-MĂ€nnern angetrieben, auf die LadeflĂ€che aufsteigen. Eine BĂ€uerin fragte eine Zigeunerin: „Wohin bringen sie euch denn?“ Diese sagte: Wahrscheinlich vergasen sie uns!“ Sie hatte recht, denn nach dem Krieg kamen nur mehr zwei Familien zurĂŒck, die nun im Dorf wohnten, da die HĂŒtten in der Zigeunersiedlung schon abgerissen waren. Diese bestritten ihren Unterhalt mit Handel. Bei ihnen konnte man Dinge des tĂ€glichen Bedarfs bekommen, die damals nur schwer erhĂ€ltlich waren.
© Erwin Barilich 2020-04-30