Zitronenfalter und Käse-Makkaroni

„Was ist daaas?“, rief sie ohne Hemmungen und hüpfte dem Zitronenfalter hinterher. Damals hatte sie schon viele Tiere beim Spielen entdeckt, aber ein Schmetterling dieser Farbe war für sie etwas völlig Neues. Ein neuer Eindruck und damit ein neues Gefühl, das sie ihm zuordnen konnte. Eine neue Erinnerung, die sie speicherte und ihrem zukünftigen Ich schenkte. Ihre Dankbarkeit für diesen Augenblick konnte sie in diesem Alter noch nicht ausdrücken und doch strotzte sie vor Wertschätzung und Liebe. Sie konnte nicht glücklicher sein. Die Flügel des Zitronenfalters schwangen elegant und ließen ihn schwerelos wirken. Sie hüpfte in Kreisen und hielt die Hände offen, um ihn greifen zu können. Sie erwischte ihn nicht und doch war sie keinesfalls enttäuscht. So hatte sie die Möglichkeit, ihm folgen zu können und dabei seine unerreichbare Schönheit zu betrachten. Er flog und flog, aber schließlich blieb sie stehen und ließ ihn weiterziehen. Sie lächelte und wünschte ihm eine gute Reise, wo auch immer es für ihn hinginge. Eine frische Brise wehte durch ihr Haar und es war noch lange nicht Zeit nach Hause zu gehen. Ein kurzer Moment war notwendig, um Inne zu halten. Um das nächste Abenteuer zu beginnen. Um neue Eindrücke zu speichern. Die Frühlingssonne strahlte damals in ihr junges Gesicht und zog einen Film von Wärme über ihre Wange. Sie tollte unbekümmert durch das Gras. Ohne einen Gedanken an jegliche Sorgen. Sorgen, die in diesem Alter zwar schon existieren, aber gezielt warteten, um später auf sie einzustürzen. Doch in diesem Moment war das Leben sorglos und unbeschwert und mit Sonnenstrahlen gefüllt. Das Gras war noch etwas feucht, denn es hatte geregnet über den Tag. Doch das hielt sie nicht davon ab sich mit ihrem gesamten Körper in die Wiese zu legen. Ihre Mutter rief, dass das Essen fertig wäre, aber natürlich war dafür keine Zeit. „Noch fünf Minuten“, rief sie enttäuscht ohne ein Bewusstsein für Zeit. Es war egal. Alles war egal. Sie fühlte nichts als Glück. Natürlich wurden es mehr als fünf Minuten. Nach einer langen Diskussion, dass Cornflakes kein richtiges Mittagessen seien, merkte sie, dass sie keine Chance hatte. Ihre Mutter stellte ihr komisches Essen vor die Nase. Das wurde sofort abgelehnt. Schmeckt das? Ist das gut? Es ist gefährlich. Nein! Oder doch? Sie öffnete skeptisch den Mund und nahm einen Löffel von den Käse-Makkaroni. Zum ersten Mal. Es schmeckte … fantastisch! Es würde seit diesem Tag zu ihrem Lieblingsessen werden. Das Müsli war vergessen. Dieser neue Eindruck war mit stärkeren Emotionen gefüllt. Es löste so viel gleichzeitig aus. Das wird für immer so bleiben, oder? Diese Freude wird das Leben so viel einfacher und bunter machen, oder? Die größte Herausforderung wird für immer sein, welche Farbe ihre Schnürsenkel heute haben werden, oder wie viele Purzelbäume sie kann. Es wird für immer so einfach bleiben, oder? Doch diese Gedanken existierten in ihrem Kosmos noch nicht, weil es für sie so selbstverständlich war, dass die Welt bunt ist. Das ist sie immer noch. Nur sind die Momente von Zitronenfaltern und Käse-Makkaroni willkürlicher geworden. Es wird nur schwieriger den Momenten ihre Bedeutung zu geben und das Leben mit eigenen Sonnenstrahlen zu füllen.