von Benedikt
Seit Ewigkeiten greifen wir Menschen nach den Sternen. Wir lieben es, höher und weiter zu kommen. Ob das auch der Grund für die Faszination am Trampolinspringen ist, weiß ich nicht. Das kann ich Ihnen auch nicht sagen. Ich entwickle diese Teile nur. Diese drei Meter breiten Gegenstände aus purem Glück. Haben Sie jemals eine grimmige Person auf einem Trampolin gesehen? Nein? Denn das werden Sie auch niemals sehen. Niemand kann auf einem Trampolin schlecht gelaunt sein. Während man springt und springt und immer wieder springt – minutenlang die gleiche Bewegung – fühlt man sich für einen Augenblick schwerelos. Kurz bevor man in die Abwärtsbewegung geht, strömt das Endorphin durch den Körper. Es erfüllt ihn und wenn kein Platz mehr ist, dann gelangt es nach draußen, wird von den Netzwänden des Trampolins eingefangen und springt innerhalb des Trampolins hin und her bis es unwiederbringlich wieder bei einem selbst landet.
Ich habe meinem Sohn geschworen, nicht nur ein langweiliger Trampolinbauer zu sein.
»Ich mache die Menschen froh«, versuchte ich ihn zu überzeugen.
»Aber du machst jeden Tag das gleiche, Papa. Immer die gleichen Sachen in deiner Firma.«
Von diesem einen Moment an, wurde ich das, was seither als „Trampolin-Phänomen“ bekannt war. Oder „Trampolin-Wunder“, „Trampolin-Revolutionär“. Suchen Sie sich was aus. Hauptsache es steht „Trampolin“ davor, denn darum geht es schließlich hier, nicht wahr? Ich suchte also eine Veränderung. Ich baute weiterhin Trampoline, nur eben keine normalen. Fünf Monate nach dem Gespräch mit meinem Sohn ließ ich eine neue Version in unseren Garten liefern. Es war größer, sicherer und vor allem konnte man auf ihm höher springen. Das bedeutete eine größere Portion Spaß für meinen Sohn. Er probierte es rasch aus, sprang so hoch, dass er in die Regenrinne schauen konnte und umarmte mich danach lange. Einige Wochen später war es Schnee von gestern. Von da an erschuf ich Trampoline nicht mehr für ihn, auch nicht für andere. Sie hatten alle garantiert ihren Spaß darauf, jetzt bin ich dran.
Es dauerte sieben Jahre. Es erforderte viel Expertenwissen, das ich anfangs nicht besaß und den ein oder anderen Bruch der Regeln und der Physik. Am Tag der Fertigstellung stand es in der Halle, ich transportierte es nach draußen und war geschockt. Es war bereits Nacht. Ich hatte so lange darauf hingearbeitet und in dem entscheidenden Moment war es Nacht. Ich zog meine Schuhe aus und sprang auf diesem Trampolin, als hätte ich nie in meinem Leben etwas anderes getan. Der Blick auf die Stadt war bei Tag vermutlich atemberaubender, doch der Nachthimmel, der mit jedem Sprung näher kam, war das, was ich erleben wollte. Nach meinem allerletzten Sprung griff ich nach den Sternen. Ich lüge Sie nicht an. Ich griff buchstäblich nach ihnen. Die Schwerelosigkeit umschloss mich wie ein warmer Mantel, als ich die Erdatmosphäre verließ. Es war tatsächlich mein letzter Sprung. Ich sollte nicht mehr zurückkehren.
© Benedikt 2022-08-14