Zuhause

Jasmin Hennig

von Jasmin Hennig

Story

Im Moment fühle ich mich oft zerrissen.Ich sitze im Auto und in vollen Zügen. Mit Koffern und Taschen.Transportiere mein Leben von einem Ort zum anderen und zurück.Ich höre meine Playlists rauf und runter und lasse mich von der Musik begleiten.Auch gerade sitze ich im Zug, schaue auf die Rückseite des Sitzes vor mir, während ich meine Gedanken schweifen lasse. Und während ich das tue, weiß ich ganz genau: ich bin so eigentlich nicht.Ich bin keine Reisende. Keine Vagabundin. Fernweh quält mich immer nur so lange, bis ich meine Heimat vermisse. Und das dauert meistens nicht sehr lange.Ich habe Freunde, die auf Reisen gehen. Die sich die Welt anschauen. Monatelang von einem Ort zum anderen ziehen. Und wenn sie ihre Geschichten erzählen, bewundere ich sie. Und ich höre ihnen gerne zu. Aber beneiden tue ich sie nie. Weil es nicht meine Art zu leben wäre. Im Moment bin ich nicht auf Reisen. Und trotzdem wünsche ich mir, nicht immer bloß eine Nacht im gleichen Bett zu schlafen. Wünsche mir, nicht immerzu zwischen den Orten zu pendeln, auf die sich mein Leben verteilt. Wünsche mir, all die wichtigen Dinge an einem Fleck zu haben. Zu wissen, wo ich suchen muss, um das zu finden, was ich brauche. Ich will, dass ‚Zuhause’ wieder zu einem Ort wird, den ich kenne. Dass Zuhause nicht mehr verschiedene Orte sind, an denen meine Zahnbürste im Bad liegt und Bruchteile meiner Besitztümer irgendwo verstreut sind. Ich wünsche mir, nicht mehr so zerrissen zu sein. Wieder eine Antwort zu haben, wenn mich jemand fragt, wo ich lebe. Wieder anzukommen. Ich denke darüber nach, wo dieser Ort sein soll.

Wo gehöre ich zwischen all den Alltagsreisen wirklich hin?Wo möchte ich nach langen Tagen ankommen?Wo möchte ich die Zeit verbringen, in der ich einfach mal nichts tue?Welchen Ort würde ich wählen, wenn nur einer mein Zuhause sein dürfte?Und während ich darüber so nachdenke, merke ich, dass es kein Ort ist, den ich sehe. Ich sehe immer nur dich.

© Jasmin Hennig 2022-08-03

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