von Fenja Harbke
Dorika hatte eine neue Obsession. Aus dem Teesatz lesen. Genauer gesagt Videos schauen, in denen aus dem Teesatz gelesen wurde. Und jedes Video endete mit einer Werbeeinheit.
„Ihr könnte jetzt das Starterset bei mir bestellen, um selbst euren Teesatz zu lesen. In meinem Shop gibt es verschiedene biovegane Teesorten im Angebot. Und mit meinem Discount-Code ELLIMAGIE24 spart ihr 24% auf eure erste Bestellung.“
Irgendwann war Dorika tatsächlich mal dem Shoplink gefolgt, um ein wenig zu stöbern. Sie war eine Hexe, da könnte sie Teesatzlesen ruhig in ihr Repertoire aufnehmen.
Aber nicht mit dem Zeug, das Elli-Magie in ihrem Shop verkaufte. Warum kostete eine kleine Dose Tee denn gleich 50 €? Oh, es gab auch sehr hübsche Tassen dazu. Wenn Dorika aber etwas nicht brauchte, dann waren es noch mehr Tassen. Auch wenn sich in denen dort der Teesatz besonders gut lesen ließ. Es gab sogar welche in Lila, sogar Teepulver in Lila. Ein bisschen unnatürlich sah das schon aus.
Endlich legte Dorika ihr Tablet beiseite und stampfte in ihre Küche. Es ging um Tee. Sie hatte einen ganzen Teeschrank. Da musste sie doch wohl nicht extra überteuertes – wenn auch hübsch eingepacktes – Influencer-Teepulver kaufen.
Kurzerhand schaltete sie ihren Wasserkocher an und machte sich einen Tee.
Als die Tasse leer war, ließ sich allerdings kein deutbarer Teesatz feststellen. Ein paar Krümel von den Salbeiblättern, aber sonst nichts, das auf irgendetwas hindeutete. Zum Beispiel, ob sie sich gestern bei Gosia mit einer Erkältung angesteckt hatte.
Nach zwei Tassen ergebnislosem Schwarztee ließ Dorika auch noch das Teesieb weg, fand dann aber einen Laubhaufen statt Teesatz in der Tasse.
Zur Beruhigung und um besser nachdenken zu können, machte Dorika sich erstmal einen Waldbeer-Tee mit Minze.
In den Videos war immer ein körniger, dunkler Teesatz in der Tasse. Je nach Produkt auch in lila oder mit Glitzer. Der Tee, den Dorika fabrizierte, enthielt keinen solchen Satz. Mit Kaffee könnte das funktionieren, aber sowas befand sich nicht in ihrer Küche und extra deswegen ihre Freundin Agnes bemühen…
Moment, eine Idee hatte sie noch.
Dorika sprang auf, leerte ihre Tasse und zog ihr Döschen mit japanischem Matcha hervor. Da floss doch sogar schon während der aufwändigen Vorbereitung ganz viel an Schwingungen von ihr in den Tee.
Als sie Klümpchen schluckte, beschloss sie, dass im Teesatz auch noch ein kleine, grüne Pfütze übrig sein durfte. Diesmal sah es gut aus. Eine Mondsichel, ein Tropfen…
Dorika rollte mit den Augen. Ihr Tag war voller Wasser und sie würde nicht schlafen können. Für die Vorhersage hätte sie jetzt auch keinen Teesatz mehr gebraucht.
© Fenja Harbke 2024-05-08