von Bernd Schreiber
Aus aktuellem Anlass muss ich nochmal über den Kuckuck bei uns schreiben. Er hat meine Lebenserwartung mit ca.123 Jahren bestimmt völlig überschätzt, ich habe nicht immer Geld in der Tasche, obwohl ich bei seinen ersten Rufen im Frühjahr welches dabeihatte und jetzt kuckuckt er seit über zwei Monaten. „Aber doch nicht die ganze Zeit!“ Stimmt, er fängt erst nachts gegen 3:30 Uhr an und hört abends nach 21 Uhr auf. „Ja, aber auch tagsüber doch nicht durchweg!“ Stimmt auch, aber wenn, dann kuckuckt er 100 Mal durch! „Es heißt, er würde nur ca. ein Dutzend Mal hintereinander rufen.“ Stimmt wieder, er macht zwischen dem einen und dem nächsten Dutzend eine homöopathisch kurze Pause, wahrscheinlich um Luft zu holen. In diesem Jahr gibt es noch einen zweiten Kuckuck. Erst dachte ich, „unser“ sitzt in einer Echokammer, aber es ist ein Kuckucks-Kanon. Der zweite ruft zwischendrin den Refrain von diesem einfachen Text.
Am liebsten sitzt „unser“ ganz nah in einem der Bäume und brüllt fast. „Na, er muss doch mit seinem Balzruf das Weibchen anlocken.“ Nee, muss er nicht, denn seine Holde sitzt meist direkt im Baum daneben, allenfalls im übernächsten und wenn er mit 100 Mal durch ist, macht sie: „Kiii-kiii-kiii“, sowas wie: „Ja, Alter, ich weiß, Du wärst soweit, aber wir müssen noch warten. Ich muss erst Deppen finden, denen ich unseren künftigen Nachwuchs unterjubeln kann. Du willst ja nicht für die Brut aufkommen und Dich drum kümmern.“ „Du versorgst sie ja auch nicht“, kuckuckt er zurück, „alles, was Du machst, ist ein Nest als Babyklappe zu suchen“.
Und so warten sie, bis sie bereit sind. Bei höchster Erregung überschlägt sich seine Stimme, die „Kuckuck“ kommen nicht mehr geordnet und wenn nur noch ein abgebrochener „Kuck“ (Kucktus interruptus) zu hören ist, dann raschelt’s in den Zweigen und wir schauen auf unserer Terrasse diskret beiseite.
Anschließend ist Ruhe, aber kurze Zeit später geht’s von vorne los, frei übersetzt: „Ich könnt‘ schon wieder!“ Sie (sehr frei übersetzt): „Du hast auch bloß eins im Kopp, alle Parkplätze sind momentan belegt, wir müssen warten!“
Unser Besuch ist auch noch begeistert: „Ein Kuckuck! Ach, wie schön, ihr lebt hier noch im Einklang mit der Natur!“ Im Einklang mit solch schrägen Vögeln? Die eigentlich nur an Sex denken, keine Verantwortung tragen wollen und es auf die Spitze treiben, indem sie ihren Jungen mitgeben, direkt nach dem Schlüpfen als Erstes die Brut der Wirtseltern aus dem Nest zu schmeißen, damit sie als Einzige überleben? Nein wirklich, das macht man doch nicht!
Wir haben doch auch nicht immer rumgemacht und wenn Nachwuchs kam, gesagt: „Komm, den schieben wir der Meier oben im 3. Stock unter, die ist immer etwas durch den Wind, die merkt das nicht oder den Müllers unten Parterre, die haben schon vier Gören, da kommt’s auf eine mehr nicht an!“
Die Natur geht schon komische Wege!
Photo by Cherylyn Ang on Unsplash. Danke!
© Bernd Schreiber 2021-07-11