von Sarah Heiser
Die Welt stand still und mit ihr auch mein Leben. Es war so ruhig draußen vor der Haustüre, man hätte ein Ahornblatt fallen hören können und zum ersten Mal seit langem nahm ich die Stimme in mir selbst wieder wahr. Jener Stimme, der ich schon vor Jahren zuhören sollte, aber ich hatte es verlernt. Diese innere Stimme hatte mich oft vor voreiligen Entscheidungen gewarnt und ich habe mit Bedacht meine Konsequenzen und Situation gewählt. Ja, auch aus Angst oftmals keine verändert, aber ich hatte eine Entscheidung getroffen und konnte dahinter stehen. Die Stimme hatte ich selbst sieben Jahre zum Schweigen gebracht, versteckt tief in einem kleinen dunklen Raum tief in mir drin. Dies waren meine ersten Gedanken am Morgen als ich im Badezimmer stand und mir die Zähne putzte. Ich schaute in den Spiegel und die junge Frau, die mir entgegenblickte, erkannte ich kaum noch. Sonnengelbes Haar, dass ich mir aufgrund des kürzlichen Todes meiner Großmutters im Januar kurz schneiden ließ und haselnussbraune Augen, die zugegeben auch schon einmal mehr leuchteten. Aus irgendeinem Grund gefiel mir ganz und gar nicht was ich im Badezimmerspiegel sah. Gefühlt 100 Selfies auf meinem Handy zeigten mich von einer anderen Seite, einer fröhlicheren und lebendigeren, aber das aktuelle Spiegelbild wurde den Selfies nicht gerecht. Ich wusch mein Gesicht und schaute nochmals in den Spiegel, der Mensch gegenüber war mir völlig fremd geworden. Ich erkannte mich selbst nicht mehr wieder. Ich blickte nach rechts neben das Waschbecken und sah mein Täschchen mit Make-up und ertappte mich bei dem Gedanken doch einmal auszuprobieren welche Magie ich mit diesen tollen Produkten zaubern konnte. Meine Erfahrungen mit Make-up waren nicht existent und YouTube nutzte ich schon lange mehr für Dokumentationen als für Make-up -Clips, obwohl ich nun in den dreißigern war, hatte ich also bis auf Mascara keine sinnvollen Tipps um, das Augen größer wirken zu lassen oder meine Haut mehr zum Strahlen zu bringen. Aus diesem Grund verwarf ich diesen flüchtigen Gedanken wieder. Ich versuchte wenigstens dem Spiegel ein Lächeln zu schenken und ging die Treppen hinauf in die Küche. Es schien alles so vertraut, wieso auch nicht, stellte ich mir selbst die Frage. Immerhin war es meine Wohnung, in der ich seit knapp sechs Jahren wohnte, und doch war es anderes. So komplett anders, als hätte hier eine andere Frau gewohnt. Eine fröhlichere Version von mir. Seit knapp sechs Wochen fragte ich mich ernsthaft wie ich diese Frau wieder zurückbekam. Letztes Jahr war das Jahr, das unglaublich befreiend und beängstigend zugleich war. Mein Ehemann und ich hatten uns getrennt, oder wie es andere sagen würden ich hatte ihn rausgeschmissen. Schließlich gab es von jeder Geschichte zwei Seiten, aber dieses Mal war ich an der Reihe meine Wahrheit zu erzählen. Unsere Ehe verlief nicht gerade so romantisch wie zahlreiche Märchen dies vorlebten. Ich muss zugeben, ich bin sehr schnell aus meinem persönlichen Märchen aufgewacht und hatte erkannt das dieser Spruch „Bis das der Tod euch scheidet“, nicht ganz so romantisch klang als er sollte. Er klang in meinen Augen sehr bedrohlich. Ich hatte oft davon gehört, dass Menschen unterschiedlich mit Trennungen umgingen.
© Sarah Heiser 2023-08-30