von Annelies H
Im Dezember 2019, nach einem langen Nachtdienst, lag ich nachmittags noch im Bett. Durchs Fenster sah ich, wie feine Schneeflocken immer dicker wurden und das heimelige Gefühl stellte sich sofort ein. Es gab für diesen Tag keine Pläne, daher genoss ich die absolute Stille ohne Hörgeräte. Beim durchscrollen durch die immer selbe Pampe der Socialmedia erregte ein gesponsertes Inserat mein Interesse.
,,2500 Wörter, setz dich an unser Lagerfeuer“, so in etwa hallte dieser Hinweis dann den ganzen Tag in mir nach. ,,Schreib, komm…“. Ja, was soll ich denn schreiben? Bin ich überhaupt jemand, der schreiben kann? Wer will das lesen?
In meinem Bauch rumorte es. Ich deute es im Nachhinein als dieses eine Gefühl, den Drang, einen Weg zu gehen, den man für sich selbst unbewusst gewählt hat. Nun wurde er offensichtlich.
Am Abend machte ich tatsächlich Feuer im Kamin und beobachtete die Flammen beim auflodern. In meinem Bauch ging es ähnlich zu. Immer wieder dieser Gedanke, mitzumachen und dabei dieses Gefühl, nicht etwas tun zu müssen, sondern mich endlich einer Leidenschaft zu fügen. In der heimeligen Atmosphäre erwachte eine Kindheitserinnerung. Ich schrieb in Gedanken an meine Großmutter eine kurze Geschichte und sandte sie ab.
Das Glöckchen läutete. Positive und erwärmende Worte eroberten mein Herz. Diese große Bedeutung, diesen einen wichtigen Schritt vorwärts zu machen, offenbarte sich ab da täglich. Das Echo meiner Worte erreichte diejenigen, die es brauchten, deren wiederum erweiterte meine Gefühle und Gedankenwelt enorm.
Dieses zusammenfügen meiner Erlebnisse wurde ein Blick in den Rückspiegel, für andere wurde es ein Einblick, für viele ein Durchblick. Der Durchblick, dass es so viele schwerhörige Menschen gibt, die sich ähnlich wie ich durch dieses Leben meistern.
Meinen Rückblick niederzuschreiben war für mich das intensivste, das ich je erlebte. Dass ein Buch daraus entstand, war der Höhepunkt. Die Resonanz war für mich ergreifend, zugegeben auch dermaßen intensiv, dass ich bald persönlich Abstand gewinnen musste, um in Ruhe zu reflektieren. Immerhin erfuhr auch mein Umfeld zum ersten Mal so richtig, wie es mir überhaupt als schwerhöriger Mensch erging. Ich arbeitete vieles erstmals auf. Mit jedem Wort, das sich seinen Weg suchte, erkannte ich, wer ich bin. Dass mir wildfremde, aber vor allem mir nahestehende Menschen berichteten, dass sie in meinen Geschichten über die Schwerhörigkeit Trost fanden, sich selbst darin entdeckten, ja sogar Mut schöpften – das lässt mich auch bis heute nicht los. Dafür findet sich keine Beschreibung. Denen, die mich zwischenzeitlich kontaktierten oder aufsuchten, widme ich meine neuen Geschichten. Man glaubt nicht, wie viele Menschen in naher Umgebung mit ihren Ohren und der Beeinträchtigung im Alltag ebenfalls“kämpfen“.
Deshalb veränderte mein eigenes Buch, aber vor allem der Weg und diese wunderbaren Menschen dorthin, mein Leben auf so vielfältige Weise.
© Annelies H 2021-11-24