Zwei Blickwinkel, ein Ziel.

“Du solltest unbedingt mehr Bilder von dir und deiner Partnerin auf Instagram posten!”

Ich sitze mit Helena in einem kleinen Irish Pub inmitten der Altstadt von Halle. Das Licht dämmert gemütlich warm über dem runden Tisch aus Eichenholz, der sich perfekt in die rustikale Einrichtung integrierte.Helena sitzt mir auf der Smaragdgrünen Stoffcouch gegenüber. Wie immer ist sie perfekt gestylt: Das fast schon schwarze Haar mit einem eng gebundenen Pferdeschwanz gebändigt, ein rotes Top mit perfekt sitzendem Ausschnitt und die Super Skinny Jeans, die ihre schlanken Beine noch schlanker machten.

Ich sitze da, in meinem Khaki Jumpsuit, streiche mir eine Strähne meiner (heute mal) offen getragenen Haare hinters Ohr und sehe sie fragend an. Wir hatten uns vor einem Jahr das letzte Mal gesehen und seither ist bei mir einiges passiert. Ich bin verliebt. In eine Frau.

Helena tut mir fast ein bisschen Leid, da sie keine Ahnung hat, in welches Fettnäpfchen sie da tritt. Ich bin selbst nicht sicher, warum ich so empfindlich, fast schon etwas herausfordernd auf ihre eben gestellte Frage reagiere.

“Warum? Von dir und Tim (ihr momentaner Lebensabschnittsbegleiter) gibt es gar keine im Internet zu sehen.“ Sie guckt verdutz, als würde dieser Vergleich in jeder Hinsicht hinken “Das ist doch was ganz anderes.” “Inwiefern? Was genau ist denn daran anders?“ frage ich, bereit für den Kampf, den sie gar nicht vorhatte zu kämpfen. “Na ja, ihr seid Frauen. Überall steht doch jetzt LGBTQ und Diversity und so. Damit bekommst du richtig viel Aufmerksamkeit, das ist was Besonderes.“ Ich gehe kurz in mich, lächle und versuche meine Stimme weniger verärgert klingen zu lassen, als ich bin. “Genau das ist der Punkt: Es sollte nichts Besonderes sein! Menschen verlieben sich…in Menschen. Frauen verlieben sich in Frauen. Sie kriegen wackelige Beine, wenn Adriana Lima verschwitzt aus der Instastory guckt. Männer kriegen Herzrasen, wenn Rayen Gosling sein Shirt auszieht und Oma Hilde ist seit ich denken kann auf Wolke 7 mit Opa Willy. Menschen verlieben sich in andere MENSCHEN und das ist in jeglicher Genderform absolut nichts Besonderes. Ich liebe Männer und Frauen gleichermaßen, aber mein Herz habe ich an eine unglaublich bezaubernde Frau verloren. Ich mache kein Geheimnis daraus, ich poste gern mal ein Bild mit ihr, aber meine Beziehung oder meine Sexualität macht mich nicht aus. Sie sagt nichts über meine Persönlichkeit, nichts über meine Art die Welt zu sehen.“ Ich merke gar nicht, wie ich mich in Rage rede. Ich bin eben sehr leidenschaftlich, wenn mir ein Thema am Herzen liegt. Helena kennt mich aber fast schon ein bisschen besser, als ich es selbst tue und lächelt mich an “Ein positiver Nebeneffekt wäre ja dann vielleicht, dass es irgendwann einmal kein Thema mehr ist“.

Mein Blick wird nachdenklich. Sie redet weiter “Deinen kleinen Vortrag da eben, den hätte nicht nur ich hören sollen.“

Dieses Gespräch wird mich noch eine Weile beschäftigen.