von Mariefu
Die Planung der Fahrtroute läuft auf Hochtouren und ich beschließe, diesmal die A3 nach München zu fahren. Eigentlich könnte ich mir auf dem Weg Würzburg anschauen, es soll hübsch sein und ich kenne die Stadt nicht. Also stehe ich früh auf, gegen Abend sind die Stellplätze oft belegt und so werde ich rechtzeitig in Kitzingen ankommen.
Im Badezimmer fällt mir ein, dass ich noch meinen grauen Haaransatz nachtönen wollte und so greife ich zu der Schachtel, die ich am Vortag besorgt hatte. Komisch, die Masse hat so ein seltsame rötliche Färbung, aber die Nummer auf der Schachtel stimmt mit der auf den Tuben überein. Nach 30 Minuten sehe ich erschrocken mein Spiegelbild und beschließe, so ganz sicher nicht loszufahren.
Da ich ohnehin einige Einkäufe zur Versorgung der Katze vergessen habe, fahre ich nochmal in die Supermärkte. Zu Hause färbe ich die Haare ein zweites Mal und so kommt es, dass ich erst um 14 Uhr starten kann. Zeit vertrödelt. Würzburg muss ausfallen und ich steuere direkt den Womoplatz an. Die Plätze sind schon rar gesät, aber es gibt noch ein Eckchen für mich. Im Radio nehme ich erschrocken wahr, was an diesem Tag in Würzburg geschehen ist- ein Attentat mit mehrerenTodesopfern, Frauen. Die Luft ist heiß und ich friere zugleich. Neben Wehmut über das grausame Verbrechen flutet pure Dankbarkeit mein Herz, am Morgen soviel Zeit „vertrödelt“ zu haben.
Am nächsten Tag wache ich schon um 5 Uhr auf und möchte mir einen Kaffee kochen. Die Maschine springt nicht an, obwohl ich gestern Abend Strom hatte. Mein letztes 50-Cent-Stück fällt in den Stromautomaten, der mir erneut anzeigt: Bitte Geld einwerfen. Es ist einfach futsch. Wie gut, dass ich noch Gas und einen Wasserkocher habe! Früher als geplant starte ich Richtung München. Die Autobahn ist wegen eines Unfalls stark staubelastet, so werde ich über die B8 geführt. Eine wunderschöne Strecke und ich freue mich über die herrlichen Eindrücke von der sanft geschwungenen, sommerlich blühenden Landschaft. Zurück auf der A9 fahre ich vor mich hin, als plötzlich quietschende Bremsen zu hören sind und ein verschreckender Ruck die Kolonne in Sekunden zum Stehen bringt. Ich ahne Böses. Leider bestätigt sich wenige Minuten später ein sehr schwerer Unfall. Während ich vorsichtig die Stelle passiere, an der bereits viele Helfer aufgeregt und angespannt im Einsatz sind, nehme ich einen Anhänger wahr, der im Graben liegt. Davor ein auf dem Dach liegendes, halb zerquetschtes Fahrzeug und ein weiteres, ebenfalls schrottreif, auf der linken Spur. Rettungsdecken werfen Reflexe. Hinter der Unfallstelle zittern mir die Knie. Bei einer Pause auf der Raststätte landet wenige Meter hinter mir der Rettungshubschrauber. Gedankenblitze. Auch mein Urlaub hätte soeben hier zu Ende sein können- und schlimmer. Es ist eine Entscheidung weniger Sekunden- ein unsichtbarer Schutzengel? Ich bin traurig und zugleich unendlich dankbar, unbeschadet bei meiner Schwester in München anzukommen.
© Mariefu 2021-06-29