von Johanna Hiemer
Die Luft wurde dünner und die Sprache verlangsamte sich. Wie froh war ich, die Sonne in meinem Gesicht zu spüren, da es wirklich sehr sehr kalt war. Die Schritte wurden bewusster gesetzt. Der Gipfel war schon in Sicht, allerdings dauerten die letzten Meter in dieser Höhe länger als gedacht …
Schnell waren Flug und Anmeldung für das Teamrennen am Elbrus erledigt. Da gerade März war und ich noch mitten in meiner Rennsaison stand, war das Rennen am Elbrus Anfang Mai noch ziemlich weit weg für mich.
Die Wochen vergingen und je näher das Rennen kam, desto mehr Respekt hatte ich davor. Kann ich das schaffen? Vertrage ich die Höhe? Kann ich mich gut akklimatisieren? All diese Fragen beengten mich und ich wusste nicht recht ob die Anmeldung eine gute Idee war. Die Vorfreude auf das Rennen mit meiner Freundin und Teampartnerin Veronika überwogen schlussendlich.
Zur Akklimatisation gingen wir in der Woche vor dem Rennen auf den Gipfel. Ohne Stress und bei traumhafter Kulisse. Die Fortschritte in der Höhe verliefen problemlos. Veri und ich fühlten uns bereit für das große Rennen, bei dem es 5000 Höhenmeter zu absolvieren galt. Bei gutem Wetter sollte einem zweiten Gipfelerfolg auch nichts mehr im Wege stehen.
Pünktlich um 5:00 früh fiel der Startschuss. Die ersten paar Höhenmeter fühlten sich eigentlich ganz gut an. Je höher wir hinauf kamen, desto schlechter ging es mir. Meine Teampartnerin motivierte mich immer wieder aufs Neue, jedoch spielte mein Körper nicht ganz mit. So kraft- und energielos war ich schon lange nicht mehr . Oft mussten wir stehen bleiben, denn jeder Schritt wurde zur Qual. Tränen verdrückte ich auch einige. Mein Leiden wurde von dem traumhaften Panorama und dem atemberaubenden Anblick etwas unterdrückt. Allerdings wusste ich, dass wir unser Tempo erhöhen mussten, da wir sonst das Zeitlimit für den Gipfelsturm nicht mehr schaffen würden. Ich sammelte meine letzten Kräfte und ging über meine Grenzen hinaus um an diesen Checkpoint zu gelangen. Wir machten eine Punktlandung und schafften gerade noch das Cutoff. Eine Minute später und wir hätten umdrehen müssen. Völlig erschöpft brach ich bei dem Checkpoint zusammen und wusste einfach nicht mehr ob ich weiter konnte und wollte. Einige Minuten vergingen … Nun brauchte ich all meine mentale Energie um noch einmal aufzustehen und weiter zu gehen. Ich schaffte es und eine Stunde später standen wir zum zweiten Mal in einer Woche auf dem Gipfel des Elbrus. Das Ziel befand sich allerdings auf ca 2000m. Uns stand also noch eine lange Abfahrt bevor. Auch diese meisterten wir mit Bravour und durften sogar noch einige Schwünge im Firn genießen. Nach guten 10 Stunden erreichten wir nach 5000 Höhenmeter überglücklich, erschöpft und überwältigt das Ziel. Was für ein Erlebnis!
Diese mentale Überwindung, als mein Körper eigentlich nicht mehr wollte, wird mir wohl noch lange in vielen Lebenslagen helfen!
© Johanna Hiemer 2019-04-12