von lavoce
Da stand ich nun. Mit meinem hundum hinreißenden Flauschkugerl. Vor dem Brandenburger Tor. Die geistreichen Posen der Selfie-verzückten Touristen bewundernd. Sah in meinem Reiseführer anders aus. Das Tor meine ich. Touri-befreiter. Romantischer. Imposanter.
Hund bellte begeistert. Ein wahrer Berlin-Fan. Seit er die Stadt mit seinen Pfoten beglückt hatte, wedelte er eifrig mit dem Schwanz, als wollte er sagen: „Ich bin ein Berliner.“
Und dabei ist dieses Fellknäuel durch und durch steirisch. Steirischer geht nimmer. Wie das Menschlein am anderen Ende der Leine. Was die Frage aufwirft: Was haben zwei- und vierbeinige Steirer in Berlin zu suchen?
Horizonterweiterung? Hipster-Feeling schnuppern? Steirische Hundemarkierungen an der Berliner Mauer hinterlassen? Ja, wenn er muss, muss er, der Hund. Und Wand ist Wand. Das Graffiti hat nun einen steirisch-gelben Anstrich. From Benny with Love. Sah aber auch trocken aus. Der Putz bröckelte bereits. Jetzt bröckelt nichts mehr.
Das abgefahrene Auto-Graffiti hatte es ihm besonders angetan. Sah derart echt aus, dass er am Hintersitz Platz nehmen wollte. Der Sprung gegen die Wand hat selbiger eine weitere steirische Erinnerung eingebracht und Hund bekam etwas berlinerisch auf die Schnauze. Aber Benny ist ja nicht dumm. Glaubt er zumindest und deshalb probierte er es auf der anderen Seite nochmals. Wir wechselten dann vorsichtshalber die Location. Nicht nur aus Rücksicht auf die Wand.
Hipster sind wir keinen begegnet. Landeiern auch nicht. Außer denen im Spiegel. Die Tierliebe hält sich in Berlin in Grenzen. Die Menschenliebe unserer Fellnase auch. Derart viele Zweibeiner auf einen Fleck sieht er selten.
Als wir ein Lokal betreten wollten, sauste ein blonder Jüngling an uns vorbei. Gefolgt von einem hysterischen Kellner: „Du krist jleich Dresche!”An uns gewandt meinte er: „Er hat sich eenen anjedudelt, aber keene Asche in de Tasche …”.Instinktiv ließ ich die Leine los und rief: „Fass!“. Braune Riesenkulleraugen blickten mich überrascht an, aber dann rannte er brav los, der Hund. Keine Ahnung, woher er dieses Kommando kannte. Vermutlich hielt er das Ganze für ein lustiges Spiel. Abfangen. Ja, das gefiel ihm. Seinem wedelnden Schwanz nach zu urteilen. Und Benny ist schnell. Wenn er will. An dem Tag wollte er glücklicherweise. In Nullkommanichts hatte er den Zechpreller eingeholt und sich an seinen Socken festgenagt. Sockenfetischismus hat manchmal auch sein Gutes. Zuweilen schnappt er ein wenig daneben und knabbert an rohem Fleisch. Was in diesem Fall nicht unbedingt von Nachteil war.
Der junge Mann schrie auf, ließ sich zu Boden fallen und gab w.o.
Und dann bin ich aufgewacht. Schweißgebadet. In meinem steirischen Bett. Im Traum ist meine Kondi wohl noch schlechter als in Wirklichkeit.
Wieso träumte ich bitte von Berlin? Was für eine Stadt! Muss ich dorthin? Ich denke schon. Irgendwann demnächst. Aber nicht ohne meinen Hund.
Dit is der Clou von’t Janze …
© lavoce 2022-02-09