Zweite Chance – Kapitel 6

GlaryEmerald

von GlaryEmerald

Story

Wie wurde man Auftragskiller? Ich konnte nicht als „Auftragsmorde Luca eK.“ arbeiten, also wie sollten meine Kunden auf mich aufmerksam werden? Wie konnte ich bezahlt werden? Meine richtige Kontonummer konnte ich nicht nehmen, dann wäre ich in Sekunden entlarvt. Auf Mord, wenn auch an Verbrechern, stand immer noch eine Haftstrafe. Ein Konto auf falschen Namen eröffnen – unmöglich, es gab ein Gesetz dagegen, die Banken prüften die Identität nach. Und die Kunden fand ich nicht einfach im Internet… Doch, genau da. Es gab eine Webseite, auf der die Menschen sich über jedes erdenkliche Thema austauschten. HeardIt war die Plattform für alle Themen. Ein neuer Account, unter VPN-Nutzung und falschen Daten erstellt, voilà, geboren war Todbringer. Wie erreichte man viele Menschen in öffentlichen Netzwerken? Mit einem provokativen Titel. Wie sollte ich meinen Kanal nennen? „Kill diese Drecksschweine“, „Schlechte Menschen – ich bringe sie um“, „Darwin Award für Arschlöcher“? Ich erstellte „Miese Typen Top-Liste“ und überlegte, wie mein initialer Post aussehen könnte. Mangels Ideen und mangels Schoko Crossies lief ich zum nahegelegenen Supermarkt.

Auf dem Weg standen zwei alte Damen am Gartentor. Wie vom Blitz getroffen blieb ich stehen. Ihre faltigen Hände, Hälse, Stirn, Ohren, fast die gesamte sichtbare Haut war von tiefschwarzen Adern übersät. Unabsichtlich lauschte ich ihrem Gespräch. „Weißt du nicht mehr, das war dieser junge Mann auf dem Platz vor Leonardo’s Pizza, mit den schmeichelnden Augen und der schlanken Figur“, schwärmte die graugelockte. „Du meinst den Casanova, der den jungen Frauen aus der Luft ins Dekolleté glotzt?“, stichelte die andere. Sie redeten von Severin! „Ein Mann muss wissen, was er will“, verteidigte die erste ihren Liebling, „jedenfalls habe ich gehört, dass er letztens jemanden des Mordes bezichtigt hat.“ – „Nicht wahr!“, rief die andere dazwischen. „Irgendein Typ soll Plakate aufgehängt haben, und“ – „Die Bilder waren so schlecht, dass es kriminell sein musste?“ Die Damen gackerten. Zufrieden grinsend lief ich weiter. Ich hatte mich gefragt, wie Severin reagiert hatte. Jetzt wusste ich es. Er hatte Angst.

Zurück an meinem PC erlebte ich einen Schock. Es gab einen initialen Post. „Hi, ich habe diesen neuen Feed gefunden und mich direkt angesprochen gefühlt. Gerade heute hat mir mein Freund vor versammelten Kumpels gesagt, dass er Schluss mit mir macht. Wir waren in unserer gemeinsamen Wohnung, also bin ich aus der Wohnung geflüchtet. Aber als ich wiederkam, stand mein Zeug im Treppenhaus, wahllos hingeworfen. Auf Nachrichten antwortet er nicht mehr, den Schlüssel hatte ich nicht mitgenommen, und in die Wohnung hat er mich auch nicht mehr gelassen. Ich muss jetzt bei Freunden unterkommen, die gar keinen Platz für mich oder meinen Kram haben, und was ist mit meinen Möbeln? Ich komme an nichts mehr heran. TL;DR: Mein Freund hat mit mir Schluss gemacht, mich ausgesperrt und mir meinen Besitz vorenthalten. Das ist ein verzichtbares Arschloch!“ Wow, wie so oft war ich überwältigt von der Offenheit des Internets. Und natürlich von der Unverfrorenheit dieses vermutlich jungen, törichten Mannes. Das war kein schlechter Anfang. „Nun gut, Süße, ich bin ganz dein. Dann erzähl mir doch mal, wie der Typ heißt.“

© GlaryEmerald 2024-03-09

Genres
Science Fiction & Fantasy
Stimmung
Dunkel