Zwergenaufstand

Thomas Schmitt

von Thomas Schmitt

Story
In der Welt der kleinen Leute 2001 – 3000

Es war einmal ein Zwergenreich. Und die, die darin wohnten, gingen allezeit mit kleinen Schritten ihrem Tagewerk nach. „Der Weg ist das Ziel“, lautete ihre Losung, denn die großen Wegstrecken strengten ihre kleinen Füßchen gar sehr an.

Da begab es sich eines schönen Tages, dass die Zwerge eine RIESEN-Überraschung erlebten: Des Nachts hatte jemand, der es gut mit ihnen meinte, Kunstdünger in ihre kleinen Stiefel geschüttet. Als sie sich des Morgens den Schlaf aus ihren Äuglein rieben und flugs in ihr Schuhwerk schlüpften, waren sie dessen noch nicht gewahr. Beim Sprung aus ihren Bettchen fühlten sie sich voller Tatendrang! Ihr ganzes Sinnen und Trachten galt den vielen Aufgaben, die während des Tages im Zwergen-Haus ihrer harrten. Denn die Zwerge waren der Frauen ledig und in ihrer Not Hausmännchen. Alles mussten sie selber machen! Die Arbeit vermochten sie erst von jenem Tage an zu teilen, als Zwerg-Nase seine GROSSE, aber von Gestalt her – kleine – LIEBE zum Weibe nahm. Ach, was würde das für ein Fest werden! – Doch davon sei ein andermal erzählt …

Heute galt es, in die eigenen Fußstapfen zu treten. Wie all die Tage, versicherten sich die kleinen Racker bei der morgendlichen Polonaise des allseitigen Gemeinschaftsgefühls: Viele Zwerge bilden einen GROSSEN Haufen. Und ein Haufen Hausarbeit lag vor ihnen.

Als nun ihre Zehen das Fußbett ihrer Stiefelchen ausloteten, verspürten sie daselbst ungewohnten Widerstand. Die Zwerge stießen mit ihren niedlichen, großen Zehen an. Noch ehe sie sich versahen, gingen ihre Füße in die Breite und schabten hart am inwendigen Leder. Die Zwerge aber waren es nicht gewohnt, auf großem Fuße zu leben. Und alsbald drückten die im Zwergenreich eingelaufenen Schuhe an allen Ecken und Enden. – „SCHMERZ, LASS NACH!“, riefen die Zwerge im Chor. Sogleich wurde ihr Ruf erhört: Mit einem tiefen „RATSCHT!“ platzten die Nähte ihrer Stiefelchen und flossen-artige Quadratlatschen dehnten sich unter ihnen aus. Doch warum waren ihre Füße so weit unten? Je mehr sie auch hinunterblickten, je mehr nahmen ihre Füße Abstand von ihnen, bis sie in weite Ferne rückten …

Da setzte mit einem Male ein großes Getöse ein und ein lautes Knacken erfüllte den Raum. Die Kniescheiben der Zwerge gingen in die Breite und sprengten die bunten Beinkleider. Jetzt konnten sie sich in ihre Arbeit hineinknien! – Doch weit gefehlt! Ein dumpfer Schlag ging ihrem Kopfschmerz voraus. Die kleinen Köpfe waren GROSS geworden und die Schädel der Zwerge knallten an das darob knirschende Dachgebälk. Die Menge wuchs gleichsam über sich hinaus und dehnte den sie umgebenden Raum: All die Möbel stieben auseinander und die kleinen Töpfe und winzigen Pfannen mit all dem Geschirr und Besteck verstreuten sich rings umher.

„Holla“, rief darob der Dorfälteste, als er die Bescherung sah. Er hatte gleiches nie zuvor gesehen! Da nahm es nicht Wunder, dass die ganze Zwerggenschar in helle Aufregung geriet. „ZEITENWENDE“, rief einer sogleich. Den Zwergen aber, schwante, dass sie die Grenzen des Wachstums überschritten hatten. Und wenn sie nicht gestorben sind, so wachsen sie noch heute …

© Thomas Schmitt 2023-12-14

Genres
Science Fiction & Fantasy
Stimmung
Challenging