Es gibt Menschen, die sagen, das Alter ist wunderbar. Der Stress des Aufbaues von Karriere und Familie ist vorbei. Das Ego kann langsam wieder reduziert werden und das Eigentliche, die Gelassenheit, die Weisheit nimmt zu. Dankbar fährt man die Ernte ein mit einem liebevollen Blick zurück. Endlich kann ich tun, was ich will: lange schlafen, spazieren gehen, reisen … Irrtum, um fit zu sein, musst du sporteln, gesund essen, keinen Alkohol trinken, Sex haben, alle Neuerungen mitmachen – sozusagen jung bleiben. Den Jungen ja nicht zur Last fallen. Leistungsdruck – werde ich dich nie los?
Franz Schuh sagte einmal in einem Interview das Alter ist scheiße. Die Schwerkraft nimmt zu – das schwabbelige Fleisch, die Gemütslage – alles zieht nach unten, zur Erde. Das Leben wird in vielen Bereichen beschwerlicher und schmerzlicher. Die Perspektiven reduzieren sich auf eine einzige – den Tod. Ich gehöre zu beiden Kategorien – in ehrlichen Momenten bin ich bei Franz Schuh. Dann wiederum rede ich mir ein, wie schön es ist, alle Kämpfe befriedet, vieles gelebt und ausgekostet zu haben, dankbar für alles zu sein, und natürlich keine Angst vor dem Tod zu haben. Ich kann ihn mir einfach nicht vorstellen und das ist gut – so kann ich neugierig bleiben. Schließlich habe ich Seminare zu Resilienz und Weisheit des Alters gehalten, aber da war ich noch jung und das Alter in weiter Ferne.
In Weisheit, Würde und Gelassenheit alt zu werden ist ein Mythos. Ich frage mich, was ist in der alten Bäuerin vorgegangen, die jahrelang auf dem Bankerl unter der Linde an der Friedhofsmauer gesessen ist und einfach vor sich hin gedöst hat. Man grüßte sie im Vorbeigehen und sie hat gelächelt oder verloren in die Ferne geschaut. Sie ist schon mehr im Jenseits als im Diesseits, hat man gemunkelt. Eines Tages war sie verschwunden – im Altersheim – letzte Station auf dem Weg in den Friedhof. Als Kind war es mir ein vertrautes Bild, alte Menschen vor ihrem Haus auf der Bank sitzen zu sehen. Man hat sich kurz dazugesetzt und ist wieder seiner Wege gegangen. Das war ihre Art die letzten Jahre zu verbringen. In Ruhe alt werden dürfen. Der Nimbus der Zufriedenheit schwebte über ihnen. Damalige Wunschkonzertlieder haben diese Phase verherrlicht: ‚Mutter, ach Mutter, leg deine Hand in den Schoß‘ oder ‚Zwei alte Leute vorm Haus, ruhen von der Arbeit sich aus‘, oder ‚alte Leute sind wie ein Gotteshaus, von ihnen geht Ruhe und Frieden aus‘. – Falsch, süßlich, klischeehaft.
„Man müsste eigentlich jung sein, um das Alter zu ertragen. Man ist als Alter zu blöd, um alt zu sein.“ stammt von Otto Schenk – Ruhe in Frieden! Du hast uns einiges vorgelebt: weitermachen, solang es geht und ein bisschen motzen und jammern, gewürzt mit viel Humor und liebevoller Selbstironie.
Angst hab ich vor dem Altersheim. Ich würde sterben vor Heimweh. Wann immer ich in die Ferne schweifte, freiwillig oder gezwungenermaßen – wusste ich – ich komme zurück! Jetzt gibt es keinen Weg mehr zurück. Manche mögen sagen – du gehst ja in die ewige Heimat – eine Floskel? ein Glaube? ein Betrug? ein Trost? Ich übe mich im dankbaren Loslassen und hoffe, dass das ein guter Weg ist.
© Christine Sollerer-Schnaiter 2025-01-16