Es war ein ruhiger Abend, aber in mir tobte ein Sturm. Meine Mutter wollte nicht, dass ich rausgehe, und obwohl ich ihre Sorge verstand, konnte ich den Drang nicht unterdrücken. Ich wollte raus, weg von der Enge des Zimmers, den Kopf frei bekommen. Doch sie ließ nicht mit sich reden, und das Gefühl der Einschränkung ließ mich wütend zurück. Ich zog mich in mein Zimmer zurück und setzte mich auf mein Bett, mit dem Rücken an die Wand, die Tür zum Flur offen. Das Licht im Flur brannte, und meine Gedanken begannen zu wandern. Sie flogen zu meinem verstorbenen Vater, zu Gott und der Welt. Doch dann, mitten in diesem Gedankenstrom, spürte ich, wie sich etwas veränderte. Ich konnte mich wieder nicht bewegen, das gleiche Spiel, die Augen waren ein Spalt auf und die Angst kam hoch. Der Flur, der bis eben noch so alltäglich war, verwandelte sich vor meinen Augen in etwas anderes, wunderschönen Park. Zu einem prächtigen, luxuriösen Park. Es war ein Park, der in allen Farben leuchtete, die man sich nur vorstellen konnte. Die Bäume waren voller Leben, die Blumen strahlten in den kräftigsten Tönen, und die Weiß goldenen Laternen schienen nicht von dieser Welt zu sein. Die Bänke, die an den Wegen standen, waren so fein, dass sie den Glanz eines Königspalastes übertrafen hatten. Und dann, inmitten dieser Farben und dieser Stille, sah ich ihn. Mein Vater. Er war dort, schlank und groß, mit einem langen, weißen Gewand, das im Wind wehte. Sein Gesicht konnte ich nicht sehen, aber ich wusste, dass es er war. Es war, als würde die Zeit für einen Moment stillstehen, und er war in seinen besten Jahren, Anfang oder Mitte 30 – jung, stark, voller Leben. So hatte ich ihn nie gekannt, und doch wusste ich genau, dass es er war. Er ging mit meinem Onkel Ali durch den Park, und ich beobachtete sie aus der Entfernung. Mein Onkel sah ganz anders aus als früher – seine Kleidung war abgetragen, seine Haltung schwach und müde. Es war ein Bild, das mich schockierte. So hatte ich ihn nie gesehen. Doch mein Vater versuchte ihn was zu erklären und sprach auch mit den Händen viel, dabei schaute er ihn fast schon flehend an als ob er ihn irgendwas mitteilen will und er es machen soll, oder muss oder vielleicht auch eine große bitte von ihm die sein kleiner Bruder erledigen sollte? Ich war so fasziniert von allem, was ich wahrnehmen konnte. Doch dann begann die Angst in mir zu wachsen. Mein Körper war immer noch in meinem Zimmer, doch mein Geist schien in dieser anderen Welt gefangen zu sein. Ich konnte mich nicht bewegen, die Angst lähmte mich. In meinem Kopf hallte die Frage: Was ist hier los? Was passiert mit mir? Warum denn schon wieder? Und dann war sie da – eine weitere Präsenz. Eine Gestalt, die mir ähnelt, die neugierig am Türrahmen stand eher schwebte, und herausschaute. Ich sagte mir innerlich Hela jetzt nicht in Angst verfallen und versuch alles mitzunehmen, was ich sehen konnte, ich versuchte mich innerlich zu beruhigen, um nicht verrückt zu werden. Den eins wusste ich zu diesem Zeitpunkt, das ist gerade REAL. Plötzlich spürte ich es, diese Lähmung, dieses unheimliche Gefühl, das mich immer wieder heimsuchte. Mein Körper wurde schwer, mein Atem flach. Ich konnte mich nicht rühren. Nur meine Augen blieben ein kleines Stück geöffnet, gerade genug, um einen Blick in den Flur zu werfen.
© Hela Hanchi_Güler 2025-06-15