Zwischen Hoffnung und Gewissheit

Anne Michel

von Anne Michel

Story

Kann man sich vorstellen, wie es ist, wenn man ungewollt kinderlos bleibt? Nein, das glaube ich nicht! Täglich werden Millionen von Kindern geboren. Gewollte und Ungewollte.

Ich laufe von Arzt zu Arzt. Jeder sagt das Gleiche: „Geben sie die Hoffnung nicht auf“. Einer stellt die Vermutung an, dass es ja auch an meinem Mann liegen könnte. Der zeigt Verständnis, geht ebenfalls zum Arzt. Lässt sich untersuchen. Eine Seltenheit, hab ich mir sagen lassen. Dafür bin ich ihm unendlich dankbar. Männer können mit der Tatsache, zeugungsunfähig zu sein, nicht umgehen, sagt man. Frauen mit der Diagnose „Unfruchtbar“, auch nicht. Zumindest betreibt mein Mann keine Vogel Strauß Politik. Ich auch nicht. Wir wollen Gewissheit. Beide.

Immerhin besteht nun Anlass für die Vermutung, dass es vielleicht an ihm liegt. Möglich ist alles. Dem Vernehmen nach geht Kinderlosigkeit häufiger von Männern als von Frauen aus. Vielleicht ist es auch in unserem Fall so, vielleicht liegt es ja wirklich nicht an mir. Tage zwischen Hoffen, Bangen und grenzenloser Traurigkeit. Sinnlose Hoffnung, die sich im Nichts auflöst.

Blitzartig ist sie da, die fürchterliche Erkenntnis, es liegt an mir! Ich bin daran schuld, dass wir keine Kinder bekommen.

Dass ich unfruchtbar bin, (was für eine schreckliche Bezeichnung) weiß ich, tief verborgen in mir, schon sehr lange. Lange, bevor mein Mann mit seinem Ergebnis vom Arzt nach Hause kommt.

Ich sehe ihn freudestrahlend in Türrahmen stehen. Nur nicht weinen, lass dir nicht anmerken, wie du dich jetzt fühlst. Verdammt, die Tränen sind nicht zu unterdrücken. Fassungslosigkeit, unsagbare Traurigkeit und Hilflosigkeit bemächtigen sich meiner. Ich bin wertlos, schuldig. In den Augen meines Mannes sehe ich Freude und große Erleichterung. Aber auch Unverständnis über meine Betroffenheit und Trauer. Aus und vorbei!

Kein frecher Lausbub, mit den wunderschönen, braunen Augen meines Mannes, die so unwiderstehlich lächeln können. Kein Mädchen, in dem ich mich wieder erkenne. Das so frech und vorwitzig ist, so einen Lernhunger hat, wissbegierig und sportlich ist, so wie ich. Stattdessen nur Leere und Traurigkeit. Seit Jahren sind wir glücklich verheiratet. Jeder auf seine Art erfolgreich. Und nun bin ich diejenige, die damit leben muss, makelbehaftet zu sein.

Mir steht kein Mitspracherecht bei Diskussionen über Kinder, Schwangerschaft und Muttergefühle zu. Ich habe keine Kinder. Kann auch keine bekommen. Dem habe ich nichts entgegenzusetzen. Auch nicht den unsäglichen Kommentaren, dass Kinderlosigkeit auch ein Glück sein kann. Und das Kinder im Allgemeinen manchmal eine Strafe Gottes sind. Und, dass man sowieso nie weiß, was mal aus ihnen wird.

Der unsägliche Hinweis, dass meine doch so tolle Figur nicht leidet, macht die Situation nicht wirklich besser. Wie soll ich mit dieser schrecklichen Gewissheit umgehen? Ich weiß es nicht. Weiß nur, ich muss es alleine schaffen, weil ich nicht darüber reden kann.

© Anne Michel 2021-11-17

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