von MadameO
1.1.2020: Ich hielt meinen positiven Schwangerschaftstest in der Hand und hoffte, dass es diesmal gut geht. Im September sollte ich unser Kind zur Welt bringen. Gleichzeitig spürte ich den schlechten Gesundheitszustand von meiner Mama, meinem Herzensmenschen. Unsere Bindung war unvergleichbar und ganz besonders. Man weiß, dass ein junges Leben beginnt und ein anderes vergeht. Es kam Corona. Keine Umarmungen. Abstand halten. Ja niemanden gefährden. Sich selbst keiner Gefährdung aussetzen. Der Kopf hat Angst, das Herz braucht aber Umarmungen und Liebe. Im März erfuhr ich von den Chemo-Therapien meiner Mama und merkte, dass es ihr nicht gut geht. Obwohl wir nebeneinander wohnten, war die Distanz nicht auszuhalten. Mein Mann und ich versorgten meine geliebte Mama mit Essen. Gekocht wurde mit Maske. Wir wollten auf Nummer sicher gehen und das Schnitzel so keimfrei wie möglich zubereiten. Dann gab es zwischendurch regelmäßige Fahrten zur Apotheke. Und so vergingen Tage, Wochen, Monate.
10.09.2020: Die Fruchtblase war geplatzt und wir waren unglaublich nervös. Was tun? Hm… naja, einmal die Hebamme anrufen. Just am Vortag war ein Freund meines Mannes bei uns vorĂĽbergehend eingezogen und in der ersten Nacht brachen wir auch gleich auf. Spannendes Timing, aber alles egal in dem Moment. Es war ein prickelndes GefĂĽhl, im Dunklen vor der Babyvilla zu stehen und mit groĂźer Wahrscheinlichkeit zu wissen: das ist der Geburtstag unseres Kindes. Es stellte sich heraus, dass unser Burli kaiserlich schlĂĽpfen wollte. Nach langem Probieren und Abwägen willigten wir ein. Leider konnte mein Mann bei der Geburt im OP-Saal nicht dabei sein – Corona-Regelung. Meine Nervosität war kaum auszuhalten und ich war sicherlich eine fĂĽrchterliche Patientin, die nicht den Mund halten konnte. Aus der Unsicherheit heraus redete ich einfach ununterbrochen. Ich lag da, hatte ein wohlig warmes GefĂĽhl in den Beinen, dann wurde ordentlich an mir herum gerĂĽttelt (was ich verstörender Weise ganz amĂĽsant fand) und dann hörte ich plötzlich ein Geschrei. Ist das jetzt mein Bub? Er wurde zu mir getragen und auf die Brust gelegt. “Das ist er jetzt also”, dachte ich mir. Darauf kann man sich nicht vorbereiten, man ist nur Passagier. Später waren wir alle im Zimmer: mein Mann, das Baby und ich. Wir kommen mit nichts. Unser Sohn hatte natĂĽrlich nichts im Gepäck. Er hatte nur sich. Es klingt banal, aber so ist es.
22.12.2020: Meine geliebte Mama lag im Krankenhaus, nachdem sie Anfang des Monats notoperiert wurde. Sie sollte noch einmal ihr langersehntes und geliebtes Enkelkind sehen. In der einen Hand hielt ich die Hand meines Sohnes, der am Beginn seines Lebens stand, und in der anderen hielt ich jene meiner Mama, die nur mehr wenige Stunden leben sollte. Ich sagte die schlimmsten Worte, die man nur sagen kann: “Du kannst gehen.” Sie sagte “Danke Puppi!”
23.12.2020: Meine Mama war friedlich eingeschlafen.
© MadameO 2022-04-21