Meine Freundin erzählte mir früher immer, dass ihre Mutter nahezu jeden Tag darüber klagte, wie bedeutungslos der Mensch doch sei. „Welch winziges Staubkorn bin ich bloß im Vergleich zum Universum“, murmelte sie oft vor sich hin. „Ein Nichts bin ich. Banal. Lächerlich.“ Manchmal war sie wütend, manchmal auch verzweifelt über ihr Dasein. Vermutlich, das begriff ich aber erst viel später, war sie deshalb auch so streng zu meiner Freundin. Sie hatte Angst, dass auch ihre Tochter eines Tages diese Bedeutungslosigkeit erfahren würde und erzog sie stets zu Fleiß, Selbstoptimierung und Gehorsam. In meinen Augen in etwas übertriebenen Ausmaß.
Aber wenn man annimmt, jeder Einzelne auf dieser Erde sei bloß ein Rädchen in der gigantischen Weltmaschinerie, dann ist es nicht verwunderlich, dass der Mensch grundsätzlich nichts wert ist, wenn er nur da ist. Man muss sich sein Leben schon verdienen! Als bloße Existenz unzureichend sollte man sich dann stets als leistungsstarkes Wesen präsentieren. Immerzu zweckmäßig und erfolgreich sollten die Taten sein, als Beweis für die Berechtigung seines Daseins. Da kann es schon sehr schmerzhaft sein, wenn die Vorhaben nicht gelingen oder jemand der besser, schneller und klüger ist die Wege durchkreuzt. Keinesfalls möchte ich sagen, dass es grundsätzlich schlecht ist, sich selbst Ziele zu stecken und sie auch durchzuziehen. Im Gegenteil.
Nur, wenn das Gefühl, dass man selbst nicht genug ist, überhand nimmt, neigt man schnell dazu ständig mit außerordentlichem Eifer seine Großartigkeit kundtun zu wollen und richtet auch seine Pläne danach aus. Meist endet dieses Bestreben dann aber in einem Wahn. Dann bläht sich der eben noch minderwertige, bedeutungslose Mensch zu einer Gottheit auf, die er aber nicht ist und niemals werden kann. Er glaubt, er könne die Welt und die Menschheit beherrschen und damit seiner eigenen Nichtigkeit entfliehen. Dass aber diese Leere im Inneren nicht mit Erfolg und Ruhm zu füllen ist, dass Geist und Seele nicht mit Machtausübung genährt werden und die Wunden letztlich nicht durch das Zujubeln der Massen geheilt werden können, daran glaubt der Größenwahnsinnige nicht. Denn er ist ja besessen von Disziplin und Kontrolle auch in Bezug auf sich selbst, oder zumindest seinem Image. Und auch wenn er sich eigentlich ins eigene Knie schießt, oder in jenes der gesamten Menschheit, wer, wenn nicht er, würde versuchen der Schöpfung einen Streich zu spielen?
© Valentina Ammerer 2022-08-31