Moe erreichte schließlich nach mehreren Anrufen seinen Kunden. „Hey, dein Zeug liegt irgendwo auf der Straße. Ich musste es rauswerfen, die Polizei hat mich angehalten.“ Der Kunde war verärgert, stimmte aber zu, morgen ein weiteres Treffen auszumachen. „Bis morgen hast du es sicher. Sorry und danke.“ Moe dachte, was für ein Idiot, aber egal, nur noch 5 Kilometer bis nach Hause. Gestresst, aber auch erleichtert, ließ er sich in seinen Sitz fallen. Plötzlich vibrierte sein Handy – eine Nachricht von Ella. „Hey, was machst du?“ Er konnte nicht anders, als einen Blick darauf zu werfen. „Okay, nichts ist passiert, sie möchte nur quatschen. Ich schreibe ihr später.“ Ella wartete frustriert auf eine Antwort von Moe, die ausblieb. Warum schreibe ich ihm überhaupt? Sie wusste, dass Moe oft beruflich unterwegs war und konnte sich schon denken, dass er ihr heute nicht zurückschreiben würde, gerade an einem Tag, an dem sie das Bedürfnis hatte, mit ihm zu sprechen. Ella weinte. Es war ein harter Tag gewesen; Noah hielt sich kaum an Regeln und war trotziger denn je. Der Haushalt war voll von Aufgaben, und sie hetzte mit Noah von einem Termin zum nächsten, ohne richtig essen zu können. Außerdem hatte sie ihre Tage, und der Schlafmangel der letzten drei Jahre machte sich immer mehr bemerkbar. Aus Frust und Heißhunger hatte sie schließlich eine ganze Chipstüte gegessen. Sie wollte freundlich zu sich selbst sein, konnte es aber nicht. Wütend wollte sie am liebsten die Chips wieder auskotzen. Moe war endlich zu Hause. Bevor er den Schlüssel ins Schloss steckte, ploppten gleichzeitig 20 Nachrichten auf seinem Handy auf. Der Fernseher lief auf Lautstärke 40, und das um Mitternacht. Aus der Küche hörte er seine Mutter rufen, während er den kalten Luftzug spürte, der durch die offene Balkontür kam, wo sein älterer Bruder rauchte. Sein Vater schnarchte auf der Couch: „Möchtest du etwas essen, mein Sohn?“ Moe fühlte sich überreizt und erschöpft zugleich: Mama, was soll das? Kannst du den Fernseher nicht leiser stellen, wenn Papa schon schläft? Es ist Mitternacht, wollt ihr mich verarschen? Diese Worte schossen wie ein Pfeil ins Dunkel. Moe wusste, dass er übertrieben reagierte, aber der Stress der letzten Stunden ließ ihm keine Ruhe. Seine Mutter schaute ihn überrascht an, während sie sofort die Lautstärke des Fernsehers reduzierte: „Es tut mir leid, ich wollte dich nicht stören“, murmelte sie, und Moe verspürte für einen kurzen Moment Bedauern für seinen Ausbruch. Er ging direkt in sein Zimmer, schloss die Tür und fiel auf sein Bett. Die Nachrichten von Ella erinnerten ihn an ihren gemeinsamen Alltag. Er wollte für sie da sein, doch die Gedanken an die Herausforderungen des Lebens drängten sich in den Vordergrund. Er atmete tief durch und versuchte, sich zu sammeln. Nach einigen Minuten des Zögerns entschied er sich, ihr zu antworten: „Ich bin da, Ella. Tut mir leid, dass ich nicht sofort geschrieben habe. Ich war beschäftigt.“ Moe hoffte, dass diese Worte ihr etwas Trost spenden würden. Doch als er auf die Uhr schaute, wurde ihm klar, dass es schon spät war und er ahnte, dass sie wahrscheinlich längst ins Bett gegangen war.
© Valentina Dagonese 2025-07-07