“Ora va eben, tutto in ordne, si resta parte della famiglia – Ist nun gut so, alles in Ordnung, sie bleiben ein Teil der Familie”, warmherzig drückte Giuseppe Stefano dem leicht ergrauten Herrn die Hand, während er gleichzeitig mit der anderen nach seinem Hut angelte und dann fortfuhr: “… und nur mit dem Tod aus ihr entlassen werden. Aber sie haben ihren Beitrag geleistet und genug für die Familie getan. Wir haben keine weiteren Forderungen mehr an Sie – e ora godetevi la Toscana – und nun genieße sie die Toskana”. Fast hätte der leicht Graumelierte eine Träne zerdrückt, soviel Verständnis hatte er gar nicht erwartet. Schließlich war er im Land der ‘Ndrangheta. Doch seine Leistungen für die Mafia waren erheblich und “sehenswert”, wenn auch nur im übertragenen Sinn. Er hatte sich im Laufe der Jahre den Respekt der “ehrbaren Familie” verdient. Nun würde er in Ruhe seinen Lebensabend beschließen, vorausgesetzt er blieb schweigsam – aber damit hatte er nie Schwierigkeiten.
Viele Jahrzehnte zurück
Wer von Liebenburg in Richtung Braunschweig wandert und dabei nicht die üblichen Waldwege benutzt, sondern versehentlich oder gewollt in eine der vielen mehrere Meter breiten Schneisen gerät, in der Annahme, es handele sich auch um einen Waldeingang, kommt nicht weit. Schon nach gut hundert Metern endet dieser vermeintliche Waldeingang. Zwar findet man im weiteren Verlauf rechts und links des Weges immer wieder Grenzsteine, die auf einen früheren Weg hinweisen, aber dieser vermutlich ursprüngliche Weg ist zugewachsen und vom Wald vereinnahmt.
Diese Steine markieren die Grenze zwischen dem Königreich Preußen und dem Herzogtum Braunschweig. Auffällig ist, dass sie gut 100m gegenüber und voneinander entfernt stehen. Ein ursprünglich vorhandener Weg scheint durch “Niemandsland” zu verlaufen, oder besser gesagt durch “gemeindefreies Gebiet”, also ein Gebiet, das nicht der Gemeinde oder dem Kreis, sondern dem Bund untersteht und dementsprechend weniger oder gar nicht beaufsichtigt wird, zumindest nicht vorrangig von der Forstverwaltung. Rechts und links des Weges, der sich über mehrere Kilometer hinzieht, befinden sich sogenannte Bruchfelder, eingefallene Bereiche aus dem früheren Erzbergbau, deren Betreten lebensgefährlich ist.
Dieser Weg wurde einst zum Niemandsland erklärt, weil das Königreich Hannover und das Herzogtum Braunschweig vereinbarten, dass die gemeinsame Holzabfuhr über diesen Weg erfolgen sollte. Da die Abfuhr mit großen Fuhrwerken und Rückepferden erfolgte und man bequem wenden wollte, musste der Weg entsprechend breit angelegt werden.
Inzwischen hatte auch jede Forstverwaltung ihre eigenen Wege angelegt. Der Weg zwischen den Bruchfeldern geriet allmählich in Vergessenheit, eine Grenzregulierung, die in diesem Fall die Forstrechte eindeutig hätte regeln können, wurde später unterlassen, sicher auch deshalb, weil in den Bruchfeldern keine Forstwirtschaft betrieben werden konnte. So holte sich der Wald nach und nach den alten Weg zurück.
Heute ist nur noch schemenhaft an einzelnen Gräsern und Bodennarben zu erkennen, dass sich über viele Kilometer ein walduntypisches Gelände erstreckt.
© Heinz-Dieter Brandt 2025-01-10