10 – Das Kaffeepausen-Mysterium

Cornelia Jost

by Cornelia Jost

Story

Damian trat in das Einkaufszentrum an der Ecke des Parks, zusammen mit einem ganzen Schwung Shoppingwütiger. Er stieg die Wendeltreppe im vorderen Teil nach oben in den ersten Stock, wo sich an der Stirnseite eine Reihe von Lokalen befand. Eine kleine Schlange hatte sich schon vor dem Coffee-Shop aufgereiht und er stellte sich dazu.

Während er auf das Vorrücken wartete, ließ er seinen Blick durch das luftige, wie ein Atrium gestaltete Gebäude schweifen. Der alljährliche Weihnachtsschmuck war schon aufgehängt worden. Die riesigen rot-goldenen Christbaumkugeln mit ihren langen Satinbändern hingen von der Decke und umrahmten das Herzstück des Einkaufszentrums: die massive und doch filigran aussehende Uhr zwischen den eisernen weißen Deckenstreben. Dazu waren an den halbrunden Balkonen in den oberen Stockwerken immergrüne Kränze mit karmesinfarbenen Schleifen angebracht und auf den Rundgängen standen opulent geschmückte Tannenbäume.

Wenn er in Weihnachtsstimmung kommen wollte, machte er immer einen Abstecher hierher, um sich inspirieren zu lassen. Deswegen entschied er sich spontan um, als er zur Theke vorrückte. Statt eines Kaffees bestellte er eine heiße Schokolade mit einer ordentlichen Prise Zimt und Muskat. Damit setzte er sich auf den äußersten Sessel in der Lounge und überschlug die Beine. Schon nach dem ersten Schluck fühlte er sich ruhiger. Die Sache mit der Schachtel ergab immer noch keinen Sinn, aber es setzte ihm nicht mehr so zu wie noch auf dem Weg hierher. Er würde einfach später mit Michael reden. Dann würde sich schon alles wieder einrenken.

Er stellte seine leere Tasse in die Geschirrablage und ging zurück zur Treppe. Gerade als er sich an den Abstieg machen wollte, entdeckte er beim Hutmacher in einem der kleinen Pavillons im Erdgeschoss seinen Partner mit einer vollen Papiertüte. Sollte der nicht eigentlich bei der Arbeit sein?

Er beeilte sich, nach unten zu kommen. Doch als er das Erdgeschoss erreichte, war Michael schon im Gedränge verschwunden. Er lief zu dem kleinen Geschäft und rempelte dabei versehentlich ein Pärchen an, bei dem er sich schnell entschuldigte. Als er schließlich den Hutmacher erreichte, war er vor Aufregung ganz außer Atem.

Doch als er nach Michael fragte, zuckte der junge Verkäufer nur die Schultern. „Tut mir leid, aber hier war gerade kein Mann, der auf Ihre Beschreibung passt.“

Damian verstand die Welt nicht mehr.

© Cornelia Jost 2022-06-27

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