Mit Cals Eimer in der Hand schlich Arabel den Zaun des Flugplatzes entlang. Schließlich erreichte sie eine Stelle, an der die Hecken den Blick auf eine Landebahn und einen kleinen Hangar freigaben. „Da – das Flugzeug, das den Tresor abgeworfen hat.“ Auf der Landebahn stand das graurote Sportflugzeug, das die Buche gesehen hatte. Arabel zog eine Heckenschere aus ihrem Kittel. |Du willst wirklich da rein? Ist das nicht verboten?|
„Hast du eine bessere Idee?“ Arabel begann, den Draht des Zauns zu zerschneiden. Sie war so weit gekommen, sie hatte mit einer ausgewachsenen Buche geredet, sie würde jetzt nicht aufgeben. Sie schlüpfte durch das Loch und duckte sich hinter die Hecke.
Ein grauhaariger Mann mit einer eine altmodische Pilotenbrille stieg aus dem Flugzeug. Am Hangartor wurde er von einem weiteren Mann begrüßt, der sehr groß war und eine Glatze hatte. Der Glatzkopf führte einen schwarzen Schäferhund an einer Kette mit. Arabel schob sich näher heran. Der Mann mit den grauen Haaren setzte seine Brille ab, und Arabel erkannte ihn wieder. „Der war beim ersten Mal auch in der Galerie! Er hat Irina ein Bild abgekauft, glaube ich.“
|Du hast Mister Pilotenbrille schon mal getroffen? Und du denkst, er hat den Tresor aufgebrochen?| Der Glatzkopf hielt dem anderen Mann die Tür auf. „Wohl eher aufbrechen lassen“, murmelte Arabel.
Plötzlich kläffte der Hund in ihre Richtung. Arabel zuckte hoch. „Wir müssen hier weg.“ Sie drückte sich tiefer in die Hecke. Durch die Zweige sah sie, wie der Glatzkopf den kläffenden Hund tätschelte. Dann, wie aus dem Nichts, ließ er die Kette los. Der Hund stürmte auf Arabel zu. Arabel drehte sich um und rannte. Zum Zaun, durch das Loch. Der Hund war ihr immer noch auf den Fersen. Sie versuchte, das Loch so gut wie möglich wieder zuzubiegen. |Lass das, wir müssen weiter|, schrie Cal. Das Kläffen wurde kurz leiser. Ohne sich umzusehen, rannte Arabel weiter, tiefer in den Wald.
Nach einer Ewigkeit blieb sie schließlich stehen. Ihre Lunge brannte. |Sieht aus, als hätten wir den Köter abgehängt.| Arabel schnaufte nur. „Wo sind wir hier?“ Es war dunkler als im Teil des Waldes, in dem der Tresor gelegen hatte. Es roch nach Fichtenharz.
|DU BIST BEI UNS.| Die Stimme schien von überall zu kommen. Ihr Kopf dröhnte. Sie versuchte, die Richtung zum Auto zu finden, aber der Wald sah überall gleich aus. |HAB KEINE ANGST.| Die Worte füllte ihr Inneres aus. Der Harzgeruch wurde intensiver. Nichts hatte mehr eine Bedeutung. Sie stolperte rückwärts und fiel hin. Dunkelheit legte sich über sie. Die Fichten nahmen jeden Zentimeter ihres Verstandes ein. Es gab nur noch Nadeln und Holz und Wurzeln.
Plötzlich spürte sie etwas anderes. Eine Ulme, umringt von Ginsterbüschen. Trotz ihrer geschlossenen Augen sah sie sie deutlich vor sich. |ARABEL.|
Arabel setzte sich auf. Sie war nicht mehr Teil der Fichten, sie war Arabel. |Alles okay?|, fragte Cal. |Was ist passiert?|
„Weiß ich auch nicht. Aber diese Bäume sind echt gruselig.“
© Sophie Solchenbach 2022-08-22