#11 Der K(r)ampf

Jürgen Holzinger

by Jürgen Holzinger

Story
Wien, Burgenland 2014 – 2022

Dafür musste ich gedanklich einige Zeit zurückgehen um bei der Wurzel des Problems, in diesem Falle, des Schmerzes anzusetzen. Ich erinnerte mich noch genau daran, wie mir damals im Krankenhaus der Schmerzkatheter im Rücken entfernt wurde. Die Entnahme tat schon weh und die Folgeschmerzen noch mehr.

Denn diese Schmerzen waren unberechenbar und traten ohne Vorwarnung auf. Oft lag ich ohne Schlaf bis in die Nachtstunden im Bett und die Beschwerden in den Stümpfen wurden unerträglich. Ich tat mein Bestes sie auszuhalten und dabei wurde mir richtig heiß. Deshalb versuchte ich mich abzukühlen und abzulenken, in dem ich mit meinen Händen die kalten Gitterstäbe, die an beiden Seiten meines Krankenbettes angebracht waren, berührte. So schaffte ich es, die Schmerzen ein wenig in den Griff zu bekommen. Falls sie jedoch stärker wurden, musste ich auf Medikamente zurückgreifen, die mir vom Pflegepersonal verabreicht wurden. Ich ging oft an meine Grenzen und versuchte die Beschwerden, so gut es ging, zu ertragen. Später dann, im Rehabilitationszentrum “Weißer Hof” in Klosterneuburg, wurde dann meine Dosis der Schmerzmittel erhöht, damit ich den Reha-Tag bewältigen konnte. Weiters arbeitete ich mit Sigi, dem zuständigen Psychotherapeuten, intensiv an der Bewältigung der Geschehnisse, sowie an der Reduzierung der Alpträume und der Phantomschmerzen. Mit den unterschiedlichsten Methoden gelang es uns, meine Schmerzen in Zaum zu halten.

Doch zu Hause musste ich alleine damit klarkommen. Am Anfang wollte ich Sabrina, Lorena, meine Eltern und mein weiteres Umfeld nicht unnötig damit belasten. Und so verschwieg ich großteils meine Bedrücktheit und tat so, als ob es mir gut ginge. Doch gerade das war ohnehin der falsche Weg. Es ging mir immer schlechter und mein Gemütszustand besserte sich kaum. Ich fiel in ein sogenanntes “Loch”. Erst als ich offen darüber sprach und die Beschwerden zuließ, ging es mir wieder besser. Denn wie sagte schon Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832): “Die Schmerzen sind’s, die ich zu Hilfe rufe. Denn es sind Freunde, Gutes raten sie.” Durch diese Erinnerungen und wegen des Vorfalls auf der Terrasse mit Lorena schaffte ich es, meine Schmerzen, auch wenn sie spontan auftraten, zu kontrollieren und nicht mehr zu schreien. Ich biss auf die Zähne und spannte alle Muskeln an. Dabei hielt ich die Luft an und “schluckte” den Schmerz förmlich hinunter. Ab und zu verzerrte sich mein Gesicht und mein verkrampfter Gesichtsausdruck entspannte sich zu einem leisen “Ahhh”. Dies trainierte ich immer und immer wieder, sodass selbst in der Öffentlichkeit niemand oder kaum jemand bemerkte, dass ich in diesem Moment mit starken Beschwerden kämpfen hatte.

Doch nicht nur mit den Schmerzen hatte ich zu kämpfen. Auch auf anderen “Schauplätzen” gingen oft die Wogen hoch …

© Jürgen Holzinger 2025-03-16

Genres
Biographies
Moods
Emotional, Inspirierend, Reflektierend, Hopeful