2 Der Geist

Edda Eggs

by Edda Eggs

Story

Lum nahm diesen Namen dankbar entgegen, denn ein Name, das war das Mindeste, was ein menschliches Wesen erhalten sollte. Sie gab es auf, den Mond mit weiteren Fragen zu löchern und wandte sich lieber ihrer Umgebung zu. Das Gras unter ihren Füßen war so lang, dass ihr dreckiges Shirt, das ihr bis zu den Knien ging, vom Tau feucht wurde. Die nächsten Schritte, die sie ging, stolzierte sie beinahe. Sie war unbeschreiblich froh zu leben, das nasse Gras zu fühlen und einen Namen zu haben. Jauchzend lief sie über die Wiese und testete aus wie schnell ihre Beine sie tragen konnten. Ihr langes zerzaustes Haar wehte hinter ihr her als sie lief aber erst als sie stoppte bemerkte sie es: ein einsames Haus, das neben der Wiese lag.

Es war zerfallen, überwachsen und teilweise verbrannt, doch irgendetwas Unerklärliches zog sie zu diesem Haus hin. Zaghaft stieß Lum die Hintertür an, die mit einem lauten Quietschen aufschwang. Ein kalter schlecht riechender Lufthauch wehte ihr entgegen, doch ihre Aufmerksamkeit war auf eine Gestalt am Fenster gerichtet. Der Mann war relativ jung und schimmerte silbern. Der Mond erhellte das Zimmer und im direkten Licht, war sein Körper seltsam licht und gestaltlos. Er drehte sich zu Tür und sah ihr direkt in die Augen. Sie waren alt und gütig aber auch traurig. Er lächelte sie an.

»Ich bin Lum.« Ihre Stimme kam heiser und ungewohnt aus ihrem Hals und hallte einsam im Zimmer wieder. Er nickte nur. »Ich weiß.« Lum wusste auch seinen Namen instinktiv, denn der Mond hatte es ihr zugeflüstert. Sie öffnete den Mund und suchte nach den richtigen Worten. »W- warum bin ich hier? Was bin ich? Wieso?« Der Geist sah sie mitfühlend an, lächelte dann aber aufmunternd. »Ich weiß nicht, was du bist, Lum aber du bist hier, weil ich dich gepflanzt hab.« »D – du hast mich gepflanzt? Wieso denn?« Der Geist bekam noch traurigere Augen als er an die Vergangenheit dachte. »Weil ich dachte, dass du mir helfen kannst, doch leider war dem nicht so. Ich bin jetzt hier.« Er deutete auf seinen Körper, der immer durchsichtiger wurde. »Und du bist jetzt die, die mehr oder weniger lebt. Unsere Rollen haben sich vertauscht.« Lum zog die Stirn in Falten. Dieser Geist redete ja in Rätseln. »Herr Geist, was soll ich denn tun?« Der Geist tätschelte sie am Kopf, wobei seine Hand etwas in ihn hinein sank. »Ich brauche deine Hilfe jetzt nicht mehr, liebe Lum. Hilf lieber den Lebenden. Ich bin mir sicher, dass du bald jemanden finden wirst.« Er ging an ihr vorbei zur rostigen Hintertür hinaus, doch ehe er einen Fuß auf die Wiese setzen konnte, war er endgültig verschwunden.


© Edda Eggs 2023-09-17

Genres
Suspense & Horror, Science Fiction & Fantasy