3. Seit langem ein neuer Morgen

Ein schrille Glockengedröhne, durchbricht die Finsternis meines viel zu kurzen Traumes. Im Halbschlaf taste ich nach meinem Handy und tippe mit verschwommener Sicht auf “In 5 Minuten erinnern”.
Ich falle nochmal kraftlos zurück in mein Bett und würde am liebsten einfach nur noch einschlafen … doch dann kehrt so langsam die Erinnerung an gestern zurück. Der plötzliche Schock reißt den letzten Schlummer aus meinen Augen. Augenblicklich blicke ich auf meine Hand, konzentriere mich und versuche wieder die Flamme aus meinem Inneren zu beschwören. Fast könnte ich vor Erleichterung lachen, als das leicht violette Flackern wieder vor mir Gestalt annimmt. Es war also wirklich passiert!
Ich hatte tatsächlich, was auch immer ich gestern während des Orkans geschafft hatte, getan. Ich schließe vor Glück meine Augen und grinse von einem Ohr zum anderen. Selbst hinter meinen geschlossenen Lidern kann ich die schwache Flamme sehen. Meine Flamme

Geschwind schlüpfe ich in meine Kleidung und stand schon, eine Toastscheibe noch halb kauend, in den gleißenden warmen Sonnenstrahlen, des ansonsten fröstelnden Morgens und blinzelte gegen die Helligkeit an.

Das gestrige Wüten des Orkans hat tiefe Spuren hinterlassen. Riesige Äste, Abfall, Ziegelsteine, sowie ganze Mülltonnen waren vom Wind mitgerissen und über die gesamten Straßen hinweg verteilt worden.
Doch das war nicht das Einzige, was sich verändert hatte. Ich mache mich auf den Weg zur Schule, brauche aber eine Weile ehe ich so langsam begreife, was sich genau verändert hatte.

Ein seltsames Glitzern oder Lodern hatte sich über die gesamte Welt gelegt. Ganz besonders um Menschen herum sehe ich diese Ansammlung von Farben. Nein… sehen ist das falsche Wort. Ich fühle dieses Leuchten mehr, als dass ich es sehe. So wie auch meine Flamme?
Waren diese Farben schon immer dagewesen, und ich hatte sie bloß nie gesehen, bis zum gestrigen Ereignis?
Ich muss dieses Glitzern auf jeden Fall näher studieren. Was auch immer es ist, es muss in Verbindung mit meiner Flamme stehen.

Der Weg, der Morgen sogar der Nachmittag und die kommenden Schultage fliegen förmlich an mir vorbei, während ich die Welt um mich herum mit diesem neuen Sinn wahrnehme.
Eine Rose am Straßenrand leuchtet mit Unnachgiebigkeit, Erheiterung und dem Stolz einer Mutter.
Ein verlorener Ring mit frischer Liebe, inniger Lust die gegen trübe Sorgen Schutz bietet.
Bei den Menschen ist es jedoch lebendiger und chaotischer. Viele der Erwachsenen in meinem Bus starren vor grau, blauer Müdigkeit, schwarzer Niedergeschlagenheit, grauem “Null Bock” und dem flüchtigen hellen Hoffnungsschimmer, der Lachen, oder Lust oder Erfolg im Team in sich birgt.

Mir fällt es schwer diese ganze Fülle des Glühens in Worte zu fassen.
Keine Beschreibung wird der Vielfalt und Komplexität der Gefühle und Empfindungen gerecht.