4. der Tatort

Jetzt muss man den Tim halt auch einmal richtig kennen, um zu verstehen, was er da gerade macht. Er geht wie ein Irrer den Flur auf und ab, vermisst dabei gedanklich den gesamten Raum samt nun in sich befindlicher übervoller Vitrinen, dem kotzenden Schurli und dem toten Wolfi. Er atmet tief ein und aus, denn in seinem Biologiestudium wurde ihm beigebracht, dass das aktive Atmen einem viel intensivere Gerüche wahrnehmen lässt und er kniet sich zu guter Letzt auf den Boden und späht, wie ein alter Siouxindiander, über den Boden. Sein Geist ist wieder ganz im Studium, bei dem ihm gesagt wurde, auf jedes kleinste Detail zu achten und so entdeckt er hinter den Heizkörpern eine opulente, farbenfrohe Kaugummiansammlung. Tim riecht das Essigwasser, mit dem der Boden gewischt wurde und entdeckt die Fußabdrücke von zumindest 22 unterschiedlichen Personen, 20 davon haben eine Kinderschuhgröße, ein Abdruck ist sein eigener und der andere passt nach sorgfältigem Profilvergleich mit den Schuhen vom Wolfi überein. Als er sich auf allen Vieren kniend näher an die Leiche wagt, spürt er plötzlich eine unbekannte Substanz bei der linken Hüfte des Toten. Es ist klebrig und zugleich äußerst zähflüssig. Der geprüfte Biologielehrer riecht daran und fast so schnell wie Flash bestimmen seine Synapsen, dass es sich dabei um Thunfischaufstrich handeln muss. Sein Kopf ist nun über dem Leichnam und merkwürdigerweise sieht er erst jetzt im Neonlicht, dass der Wolfi eine Papierkugel in seinem Mund hat.

Während der CSI-Beauftragte Knopf den Tatort sichert, tut sich der Schurli auf seine wackeligen Beine stellen, um gleich darauf vorn über ohnmächtig mit dem Schädel auf den Boden zu knallen. Bei dem Aufprall erschreckt Tim zunächst, war er ja in seinem Auftrag ganz gefesselt und gebannt von der sich bietenden Szene. Rasch eilt er zum umgekippten Schulwart, prüft seinen Puls und zieht ihn in die stabile Seitenlage.

Das Biologiekammerl befindet sich nur ein paar Schritte den Gang hinunter und dort hätte er Reagenzgläser, Pinzetten und Handschuhe. Dieses ewige Warten auf die Polizei macht ihn wahnsinnig und er beschließt gegen die Weisungen aller CSI-Folgen zu handeln. Tim schnappt sich ein Paar Einweghandschuhe, eine Pinzette und eine Petrischale. Vorsichtig beugt er sich über den weit aufgerissenen Mund von seinem Kollegen und entnimmt zärtlich mit der Pinzette die Papierkugel. Behutsam landet diese auf der Petrischale und wird in gekonnter Manier mithilfe der Einweghandschuhe geöffnet.

Er sieht einen Kreis in einem Dreieck und darin stehen die Wörter:

Proditores solus mori

Latein zählt nicht wirklich zu den Stärken seines Verstandes, weshalb er sich versucht die Wörter einzuprägen. Sein Mantra immer und immer wieder wiederholend, faltet er den Zettel vorsichtig zusammen und stopft ihn zurück in den offenen Mund. Gerade rechtzeitig, denn einen Augenblick später leuchten die blauen Lichter der Polizei durch die dunklen Scheiben der Schule.