4mal II

Lena Moormann

by Lena Moormann

Story

Ich werde unruhig. Eigentlich wollte ich überhaupt nicht in einen Tanzkurs. Fixe Abfolgen, die nach strikten Regeln ausgeführt werden müssen, die nicht meine eigenen sind, klingen unüberwindbar. Und was für eine Schnapsidee, zu glauben, dass hier irgendetwas besser sein würde. Aber jetzt stehe ich eben einmal hier. Weil ich muss? Ich muss gar nichts. Ich habe den Mantelärmel immer noch in der Hand.

Meine Handflächen sind verschwitzt, das Oberteilklebt sicher sich schon. Eine großartige Eingebung, nicht wie sonst, sicher und berechenbar, schwarz anzuziehen, sondern dunkelgrün, weil ich die Art mag, wie es meinen Teint unterstreicht. Ich weiß nicht, ob ich das jetzt kann. Physisch. Meine Psyche ist so stark, dass ich wie festgefroren bin am Boden, meine Füße sind am Boden angeleimt. Und meine Hand am Mantel. Einmal noch, viermal noch, drüberstreifen. Ach Gott, der Schuhkarton. Hand weg! Ich werde es können, physisch, ich kann es immer, auch wenn es in mir schreit, zetert. Die Horrorszenarien werden tanzen, mit mir, in mir, während ich tanze.

Ich gehe zu einem Sessel hinüber, mein Gesicht spiegelt sich in der regennassen Scheibe, während ich mit meiner Schuhspitze viermal das Sesselbein berühre. Zuerst ziehe ich den rechten Schuh aus. Ich muss mit der Hand viermal die Schuhspitze berührt haben, bevor ich ihn abstellen kann. Auch wenn das eklig ist, weil ich damit vorher in der U-Bahn war.

Es muss sein. Lass es. Keiner sieht’s. Lass es trotzdem. Es bringt nichts.Oh ja, richtig, es hängt ja eh nur dieser Tanzkurs dran.

Linker Schuh jetzt. Dann die Tanzschuhe raus aus der Schachtel. Nichts schwerer als das. Ich schaue zu den anderen auf, und tue, als würde ich zuhören, nur meine Finger hüpfen einmal über jedes einzelne Loch für die Schnürsenkel.

Unnötig. Ich weiß, aber du musst. Warum muss ich? Es geht nicht anders. Hör auf damit. Ich kann nicht.

Ungeduldig reiße ich den Schuh aus der Schachtel, nachdem ich viermal drübergegangen bin, damit ich ein Vielfaches von vier gezählt, und mich auch sicher nicht verzählt habe. Das Mädchen neben mir hebt die Augenbraue und dreht sich weg. Ich verdrehe die Augen, an mich und an sie gleichermaßen gerichtet. Die Schuhe passen, aber ich kann sie nicht nehmen. Beim Gedanken, damit den Tanzsaal zu betreten, schlägt mein Herz gleich doppelt so stark.

Ich sage: „Ich hol mir nochmal andere Schuhe“, ein Freund von mir dreht sich um, über rechts statt über links, und nickt. Fast muss ich mich selber einmal nach rechts drehen, um dieses Ungleichgewicht wieder auszugleichen. Nach rechts!

Dreh dich nur einmal schnell unauffällig zu deinem Sessel um, keiner wird es merken.

Ich bin im Stress – was, wenn die Schuhe schon weg sind? – und komisch aufgefallen bin ich außerdem, ich weiß genau, dass ich nichts vom Sessel brauche. Sicher, dass du nichts brauchst? Sicher. … Oder was brauche ich vom Sessel? Zum Beispiel eine gute erste Tanzstunde, hm? Ganz egal was, dreh dich noch einmal um.

Natürlich drehe ich mich zurück.

© Lena Moormann 2021-08-13

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