5. Hyong: Yul Gok

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Yul-Gok- Der Gelehrte als Kämpfer

Die fünfte Hyong im traditionellen Tae Kwon Do trägt den Namen Yul-Gok und verweist auf eine der prägendsten Gestalten der koreanischen Geistesgeschichte: Yi I (1536–1584), ein konfuzianischer Gelehrter, Reformer und Staatsmann der Joseon-Dynastie. Yul-Gok war sein Künstlername, zu Deutsch etwa „kastanienbedecktes Tal“. Ihm zu Ehren wurde diese Form geschaffen – nicht, weil er ein Krieger im klassischen Sinne war, sondern weil er als Vordenker einer ethisch geführten Gesellschaft gilt.

Yi I war überzeugt davon, dass moralische Bildung das Fundament jedes funktionierenden Staates bildet. Er trat zeitlebens für eine strenge persönliche Selbstdisziplin ein, verbunden mit sozialer Verantwortung. Für ihn war Philosophie kein elitäres Gedankenspiel, sondern Werkzeug zur aktiven Gestaltung einer gerechten Ordnung. Der Yul-Gok Hyong verkörpert genau diesen Geist: Den Mut, für Wahrheit einzutreten, und den Willen, sich selbst unermüdlich zu vervollkommnen.

Die Zahl der Bewegungen – 38 – verweist auf den 38. Breitengrad, auf dem Yul-Gok geboren wurde. Gleichzeitig ist dies eine stille Erinnerung an die geopolitische Teilung Koreas entlang desselben Breitengrades – ein Symbol für innere wie äußere Spaltung und den Auftrag zur Überwindung dieser Trennung durch Weisheit, nicht durch Gewalt.

Philosophisch steht Yul-Gok für die Verbindung von Denken und Handeln. In einer Welt, die oft zwischen Worten und Taten trennt, erinnert diese Form daran, dass Erkenntnis zur Pflicht wird, sobald man sie verstanden hat. Sie fordert dazu auf, Haltung zu zeigen – nicht auf dem Schlachtfeld, sondern im Alltag, in der Familie, im Gemeinwesen.

Yul-Gok mahnt: Der wahre Kämpfer ist der, der sich nicht von Emotion, Stolz oder Macht leiten lässt, sondern von Vernunft, Mitgefühl und Prinzipien. Damit erhebt diese Hyong den Geist des Gelehrten zur höchsten Form der inneren Stärke.


Quellen:

Choi Hong Hi: Taekwon-Do – The Korean Art of Self-Defense, 1999.

Kang, Won Sik & Lee, Kyong Myong: The History of Taekwondo, 1999.

Martina Sprague: The Philosophy of Taekwondo, 2005.

Korean Philosophical Association: Yi I and the Foundations of Korean Confucianism, 2002.


© SP 2025-05-20

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