by Santosha
6 Tage habe ich nun frei. Eine Reise hatte ich geplant. Sorgfältig und sehnsüchtig. Sagenhaft hätte es sein sollen.
Vier Tage vorher Mails an die Bahngesellschaft und meine Reiseversicherung. Antwort erst in 10 Wochen, aber Stornierung wahrscheinlich chancenlos. Ist ja “nur” Longcovid vermischt mit hohen Blutwerten. Warum ich eigentlich den Kreislaufkollaps hatte, weiß die Ärztin nicht. Ich solle doch auf den Internistentermin warten.
1 Tag vorher. Ich fahre doch! Oder doch nicht?
Komplett zerrissen überlege ich hin und her. Mein erster Impuls war zuhause zu bleiben. Auch die Münze sagte es und viele Freunde.
Aber vielleicht bin ich nur feig?
EneMeneMut. Ich bin schon oft allein gereist. 1 Jahr nach Paris. 2 Wochen Jakobsweg. Usw. Mein Mut wurde stets belohnt. Doch mein Bedürfnis nach Sicherheit und meine Vernunft siegte diesmal: Ich kenne meinen Körper. Ich verreise nicht halbkrank.
Und nun besichtige ich als Wienerin Wien. Zuhause fällt mir die Decke auf den Kopf nach 2 Krankenständen hintereinander. Ich fühle mich einsam. Ich muss unter Leute.
Der 1. Tag als Wientouristin. Schön.. Massage, Sigmund Freud Museum, Fisch essen, eine liebe Freundin…
Doch Wien hat kein Meer. Wo kann ich hier ein Meer finden, was kann es mir ersetzen? Soll ich doch noch in den Zug steigen, spontan ein Hotel suchen? Ein Rückfahrticket hab ich noch. Und wann kann ich mir wieder 6 Tage frei nehmen dafür? Doch das nächste Mal würde Beatrix mitkommen. Und ich fahre doch im Juni nach Zypern – auch ans Meer.
Doch ich will es jetzt. Meine geschundene traumatisierte Seele will diesen Duft nach Salz und Fisch, nicht nach Fiaker und Sachertorte. Sie will parole italiane statt Wiener Schmäh. Sie will das unendliche Blau der tosenden Wellen statt Gewitter im Türkenschanzpark.
Es ist ein Fehler und doch keiner. Ich bin noch nicht die Alte, eine seltsame Erschöpfung zieht sich durch meine Glieder, jeden Tag treibt sie Tränen in meine Augen. Und was ist, wenn etwas passiert in Italien? Wieder ein Schwächeanfall oder Schwierigkeiten, die ich allein und nicht so auf der Höhe nicht bewältigen kann?
Warten, geduldig sein. Triest rennt nicht davon. Oder?
Was ist Leichtsinn, was Dummheit? Bestimmt die Angst mein Leben? Oder werde ich sie nun in Wien kennenlernen, die lang erhoffte Liebe meines Lebens… wenn ich schon hierbleibe? Will es das Schicksal so? 6 Tage… bald sind es nur mehr 5. Habe ich einen Fehler gemacht oder wird sich die Entscheidung als sinnvoll und richtig herausstellen? Oder soll ich sie doch noch revidieren? Was will mir das Leben sagen?
Was hättest du getan? Mit welchen Entscheidungen hast du schon gerungen im Leben ?
© Santosha 2022-04-15