by Sabine Knauf
„Rede nie wieder mit mir!“ Mehr sagte ich nicht. Mein viertes Date entpuppte sich ausgerechnet als mein Ex-Freund – Aaron. Der Mistkerl, den ich vor sechs Monaten mit meiner ehemaligen besten Freundin im Bett erwischt hatte. Als ich ihn ansah, musste ich widerwillig feststellen, dass er noch immer genauso gut aussah wie damals. Seine schwarzen, wilden Haare umrahmten die Konturen seines Gesichts perfekt. Und seine braunen Augen? Besser, ich dachte gar nicht erst daran. Um nicht von seinem Blick in den Bann gezogen zu werden, versuchte ich mich abzulenken. Mein ursprünglicher Plan für mein restliches Leben war klar: Aaron um jeden Preis aus dem Weg gehen. Doch wie es das Schicksal – oder reines Pech – wollte, lief ich ihm genau heute in die Arme. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, versuchte er tatsächlich, mit mir zu plaudern, als wäre nie etwas zwischen uns passiert. Es ging nicht darum, dass er mich betrogen hatte. Die Tatsache, mit wem machte alles noch viel schlimmer. Nora. Meine beste Freundin seit dem Kindergarten. Also tat ich mein Bestes, um ihm die kalte Schulter zu zeigen. „Lass uns reden. Du benimmst dich wie ein bockiges Kleinkind.“ Ich ignorierte ihn. Stattdessen kritzelte ich unbeeindruckt eine Seite meines Notizbuchs voll. Um mir die Zeit zu vertreiben, spielte ich gegen mich selbst Tic-Tac-Toe. Erschreckenderweise verlor ich mehrfach. Also begann ich, Strichmännchen, Tiere und Herzen zu zeichnen – natürlich durften auch einige gebrochene Herzen nicht fehlen. Ich schrieb ein paar Sprüche auf, verfasste sogar eine kleine Metapher, nur um mir die endlose Zeit mit Aaron am Tisch irgendwie zu versüßen. Wenn ich schon mit ihm hier sitzen musste, wollte ich sicherstellen, dass er begriff, was er mir angetan hatte. Er hatte mein Herz mit Füßen getreten. Und ich war noch lange nicht darüber hinweg. Nora und ich waren durch dick und dünn gegangen. Wir hatten uns seit dem Kindergarten alles anvertraut. Sogar unsere Haustiere waren ein Zeichen unserer Freundschaft gewesen – mein Hamster hieß Nora und ihrer Rieke. Für ein zehnjähriges Mädchen war das damals ein unerschütterlicher Freundschaftsbeweis. Und jetzt? Jetzt saß ich hier mit dem Mann, der alles zerstört hatte. „Seit wann bist du so nachtragend?“ Fragte Aaron schließlich. Ich reagierte nicht. Genauso wenig wie auf seine nächste, unfassbare Unterstellung. „Rieke, du bist selbst schuld an der Situation. Wenn du mehr Zeit für mich gehabt hättest, wäre ich nie auf die Idee gekommen, mit Nora zu schlafen. Ich bin ein Kerl und habe Bedürfnisse.“ Ich schwieg. Dieser Mistkerl konnte mir mal bei Mondschein begegnen. Und ich kannte einige Leute, die mir ein Alibi verschaffen würden, wenn ich seine Leiche nachts im Wald verbuddele. Kurz schielte ich auf meine Armbanduhr. Bald war es geschafft. Doch anstatt meine Wut in Alkohol zu ertränken, entschied ich mich für etwas Besseres: Ich ließ meinen Gefühlen freien Lauf. Ich richtete mich auf, stemmte meine Hände in die Hüften und sah Aaron mit eiskaltem Blick an. Er hatte nicht damit gerechnet, dass ich noch etwas sagen würde. „Verpiss dich ab sofort aus meinem Leben.“ Meine Stimme zitterte vor Wut. „Du hattest nichts Besseres zu tun, als mich mit Nora zu betrügen. Und jetzt tust du so, als wäre ich die Blöde? Vergiss es, Aaron. Ich hätte alles für dich getan, und das weißt du genauso gut wie ich. Und jetzt – geh!“
© Sabine Knauf 2025-07-02