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Christian Kubik

by Christian Kubik

Story

Und das war es. Was in unserer Vorstellung so katastrophal und groß und bedeutend erschien, lief in Wirklichkeit ganz unauffällig und beiläufig ab, und man fragte sich, wann endlich etwas passieren würde, das uns ein Gefühl von passender Anerkennung der Situation gibt – wie Tränen auf einer Beerdigung.

Und ich sage Ihnen, dass sie den falschen Eindruck haben, da ich – wie ich auf den letzten Seiten feststellen musste – nicht in der Lage bin die wahren Ausmaße auf Papier zu bringen. Natürlich kann ich schildern was passiert ist, und was dann passiert ist, und was dann, aber niemals wird Sprache genügen, um auszudrücken, was mit der Psyche jedes einzelnen in diesen Tagen passiert ist. Es fühlte sich an, als würden dicke Nägel in den Schädel geschlagen werden, und mit jedem neuen Nagel zerplatze eine weitere Erinnerung an die glücklichen Tage des alten Ichs und wurden ersetzt durch nichts als durchdringende Schmerzen des neuen Ichs.

Stellen sie sich doch einmal vor, was diese einfachen Tatsachen zur Folge hatten:

Da ist ein Mädchen, etwa 8 Jahre alt, und wie jeden Sonntag besucht sie ihren Opa. Ihre Oma hat sie nie kennengelernt. Sie ist schon gestorben, noch bevor sie geboren wurde. Aber das macht ihr mit ihren 8 Jahren noch nichts aus. Sie hat ja ihren Opa. Und ihr Opa hat seine Enkeltochter, die er über alles liebt. Die Zeit, nachdem seine Frau gestorben war, war schwer für ihn. Er hatte morgens keinen Grund mehr aufzustehen, er wollte nichts essen, er wusste nicht, wofür er noch leben sollte. Nach 58 Jahren Ehe war auch ein Teil von ihm gestorben. Er war dabei aufzugeben, als sie auf die Welt kam. Und dieser kleine Sonnenschein, dieses unschuldige Wesen, das er behutsam in den Armen hielt, brachte etwas zurück, von dem er dachte, er hätte es schon längst verloren: eine dankbare Freude, eine Zelebration des Lebens.

Und so ist er gerade dabei Unkraut in seinem Garten zu pflücken, als sie ihm an diesem Sonntag voller Freude in die Arme rennt.

„Opaaaa“

„Ja ist ja gut Liebes, ich habe dich auch vermisst.“

„Pflanzen wir heute den Apfelbaum?“, fragt sie aufgeregt, und hofft, dass es endlich so weit ist.

Er hat es ihr schon lange versprochen und weiß, wie sehr sie es sich wünschte. Er kann ihr nicht viele Geschenke kaufen, weil die Rente nicht einmal ganz für seinen Lebensunterhalt reicht, aber er ist zu stolz um seine Kinder nach Hilfe zu fragen, und er ist auch zu stolz seiner Enkeltochter diesen Wunsch zu verwehren, auch wenn er in seinem hohen Alter zunehmende Beschwerden hat, und sich der Aufgabe nicht ganz gewachsen fühlt.

© Christian Kubik 2023-08-23

Genres
Science Fiction & Fantasy