by Grigio
Es soll ein Sommerabend wie in alten Zeiten werden. Der Stammsee ist in den letzten Jahren ausgetrocknet. Unter der rissigen, spröden Oberfläche schlummert eine Schlammschicht. Vier Fahrräder knirschen über den Kies des Parkplatzes. Die Vier waren schon immer die Ersten. Zwei weitere folgen. Kanten, Flaschen und Feuerzeuge dienen als Öffner. Hier und da ploppt es. Mancherorts schon zum zweiten Mal. Wie eine Lawine purzelt die Kohle auf die Grillstelle. Viel Neues gibt es zu erzählen, denn seit dem Schulabschluss haben viele die Region verlassen und kehren nur selten heim. Endlich fahren die klassischen Zuspätkommer mit dem Auto vor. Sofort folgen Buhrufe, weil Einer fahren muss. Die Bäuche füllen sich, Soße kleckert auf das Gras. Bei Einem auf die Hose, bei dem Anderen auf die weißen Schuhe.
Orangerot geht die Sonne unter. Ein paar gehen in den Wald, suchen totes Holz auf dem Boden, um später ein Lagerfeuer zu machen. Die Zurückgebliebenen am Grill schnappen sich einen Fußball und kicken am Ufer. Einer führt mit voller Kraft einen Volley aus, plumpst ungeschickt auf den Boden, schaut ihm hinterher und flucht als er mitten auf dem trockenen See landet. Sofort fassen sich alle an die Nasen, um ihn nicht holen zu müssen. Einer war zu langsam. Er rennt zum Ufer und watet vorsichtig hinaus in die Wüste. Als er den Ball erreicht, sinkt er ein. Unter der Fassade ist eine gierig saugende Schlammschicht, in die sein Fuß hineingezerrt wird. Er sinkt. Nur zwei kommen, um ihn herauszuziehen. Die Anderen würden das nicht für ihn tun.
Kurze Zeit später kehrt der Holztrupp zurück und zum Einbruch der Dunkelheit knistern und knackern die Flammen. Weitere Flaschen ploppen. Aus Witzen werden Spitzen. Einer ist verletzt und starrt stillschweigend in die Glut, trinkt. Ein Weiterer geht plötzlich. Nur Einer weiß, dass es daran liegt, dass ein Anderer mit seiner Freundin geschlafen hat. Niemand sagt etwas. Dann wird wieder gelacht und über alte Zeiten geredet. Bei neuen Automodellen können drei eine ganze Zeit nicht mitreden. Das war schon immer so. In der Runde wird sich über die wildesten Sexgeschichten ausgetauscht. Einem ist das unangenehm und er will sich nicht dazu äußern.
Eine mickrige Glut gibt bald das Zeichen zum Aufbruch. Handyscheinwerfer suchen das Gras nach Müll und Deckeln ab. Pfand klirrt in den Gepäckträgern. Handschläge klatschen in der Nacht, Frösche quaken und Grillen zirpen. Auf verschiedenen Straßen und in unterschiedlichem Tempo rollen sie davon. Jeder auf seine Weise.
Der Wind hat sie in alle Richtungen zerstreut, doch die Glut wird niemals aufhören zu glimmen. Und solange nur einer den Wind zur Stelle trägt, wird das Feuer immer entfacht werden.
© Grigio 2022-08-29