by Sabine Knauf
Ein Mann setzte sich zu mir an den Tisch – mein vorletzter Datingpartner. Ich freute mich darauf, das Speeddating bald hinter mir zu haben. Endlich konnte ich mir meine heiß ersehnten Zimtschnecken holen, um das Trauma dieses Abends besser zu verarbeiten. Kurz musterte ich den Blondhaarigen. Seine Haare waren länger als meine. Um sie zu bändigen, hatte er sie zu einem lockeren Dutt gebunden – und ich musste zugeben, dass ihm dieser Look hervorragend stand. „Hallo, mein Name ist Rieke. Und wie heißen Sie?“ eröffnete ich das Gespräch. Doch anstatt zu antworten, hob der Mann kurz die Hand und bedeutete mir, still zu sein. Verblüfft sah ich zu, wie er etwas in sein Handy tippte. Sein Verhalten verschlug mir tatsächlich die Sprache. Unhöflich und respektlos. Doch dann sah er mich mit einem entschuldigenden Lächeln an und erklärte sein Benehmen. „Es tut mir leid, meine Tochter hat mir gerade geschrieben. Sie ist zehn und wollte wissen, wann ich nach Hause komme. Laut meiner Kleinen ist die Nanny, bei der ich sie gelassen habe, eine Katastrophe.“ Ich blinzelte überrascht. „Sie haben eine Tochter? Wie schön! Ich selbst bin kinderlos – aber ich habe eine Katze. Er heißt Oliver.“ „Clara liebt Katzen. Sie hätte selbst gerne eine. Leider bin ich Allergiker. Deshalb kann ich ihr diesen Wunsch nicht erfüllen.“ „Oh.“ Mehr brachte ich in dem Moment nicht heraus. Mein erstaunter Blick musste wohl zu komisch für ihn gewesen sein, denn er fing an zu lachen. „Machen Sie sich nichts daraus. Heute musste ich bereits zwei weiteren Damen das Herz brechen. Eine besitzt, wie Sie, eine Katze – die andere einen Hund. Aber ich fühle mich geschmeichelt, dass Sie Ihren Kater Oliver genannt haben. Er und ich sind sozusagen Namensvetter.“ Ich stutzte. „Sie heißen Oliver?“ Er nickte grinsend. Dann stellte er mir eine Frage, die mich kurz nachdenken ließ. „Möchten Sie irgendwann Kinder?“ Ich überlegte einen Moment und entschied mich für Ehrlichkeit. „Keine Ahnung. Ich bin erst 22 und Single. Außerdem habe ich mich vor Kurzem selbstständig gemacht. Im Moment wäre in meinem Leben einfach kein Platz für ein Kind. Obwohl ich zugeben muss, dass es praktisch wäre – dann würde ich nicht mehr schräg angeschaut werden, wenn ich mir wieder etwas Neues von Disney kaufe.“ Oliver lachte. Ich grinste und fuhr fort: „Vermutlich will ich irgendwann mal Mutter werden. Aber jetzt noch nicht. Und falls in ein paar Jahren der Zug für mich abgefahren ist, schaffe ich mir einfach mehr Katzen an. Dann werde ich die verrückte Katzenlady.“ Er lachte noch lauter. Oliver war ein sympathischer Mann. Doch es gab einen entscheidenden Grund, weshalb es zwischen uns niemals funktionieren würde. Nichts auf der Welt könnte mich dazu bringen, meinen geliebten Kater abzugeben. Selbst wenn Amor mich mit seinem Pfeil mitten ins Herz treffen würde – meine große Liebe war und blieb mein Kätzchen. Damit es keine falschen Hoffnungen gab, sprach ich es direkt aus: „Es tut mir leid, Oliver. Aber mein Oliver – der vermutlich gerade mein Wohnzimmer verwüstet – gewinnt das Rennen.“ Wieder hörte ich sein unverkennbares Lachen, das vom ertönenden Signal begleitet wurde. Kurz darauf stand er auf und wechselte zum nächsten Tisch. Wenigstens nahm er es mir nicht übel, dass ich ihm einen Korb gegeben hatte. Allerdings hatte ich das Gefühl, dass ihn meine Entscheidung nicht sonderlich überraschte.
© Sabine Knauf 2025-07-02