9. Häufchen Elend

Elina

by Elina

Story

Seit dem Tag, an dem Peter die Tür hinter sich zugeschlagen hatte, war ich nicht mehr nach draußen gegangen. Der Vorfall hatte mich so mitgenommen, das an Schlaf kaum mehr zu denken war, ich hatte Panikattacken und Heulkrämpfe, mein Körper fühlte sich schmutzig an und je öfter ich darüber nachdachte, desto mehr gab ich mir selbst die Schuld. Mein Handy hörte kaum mehr auf zu vibrieren, Peter rief mich an, bombardierte mich mit Nachrichten, einmal klingelte er mehrere Minuten Sturm, bis die Nachbarn ihn aus dem Haus warfen. Während dieser Zeit gab ich kein Lebenszeichen von mir, erst nach 4 Tagen fühlte ich mich halbwegs in der Lage nach draußen zu gehen, Peter hatte mittlerweile aufgehört mir minütlich Nachrichten zu schreiben, ich hatte ihm lediglich geantwortet, dass ich Zeit bräuchte. Mein Kopf konnte kaum einen klaren Gedanken fassen und die Unsicherheit wie ich ihm gegenüber empfinden sollte, ließ mich beinahe durchdrehen. Oft dachte ich an die vergangenen Zeiten, als wir uns kennenlernten, wir nächtelang philosophiert hatten über den Sinn des Lebens, was nach dem Tod kam, wie wir unsere Zukunft gestalten wollten oder stundenlang über die neusten Theorien zu einem Manga diskutierten, bis wir vom Hundertsten ins Tausendste gerieten. Oft hatten wir zusammen gelacht und unsere erste lange Urlaubsreise, schweißte uns noch mehr zusammen, als wir gemeinsam durch den Amazonas liefen, nicht mehr wussten, wo unsere Reisegruppe war und wir schlussendlich 3 Stunden später, wieder auf sie stießen. Es brachte nichts an vergangenes zu Denken und es war auch nicht das erste Mal, das ich mir die Frage stellte, zu welchem Zeitpunkt alles den Bach herunterging. Schlussendlich machte es auch keinen Sinn danach zu suchen, den Ändern konnte man daran nichts mehr. Ich hatte mich in die Sonne auf meiner kleinen Terrasse gesetzt, um die Nase blass und müde wirkend, doch es war das erste Mal, dass ich mich halbwegs gut fühlte, um hier einfach nur zu sitzen, ohne gleich wieder Panik zu bekommen. Die Stille, die herrschte war wie Balsam für meine Seele und wenn ich die Augen schloss, dachte ich mich an den Strand von Thailand, an welchem ich damals meine erste Singlereise begann. Ein heftiges Zucken durchdrang meinen Körper automatisch, als ich im Inneren der Wohnung mein Handy vibrieren hörte. Ein Kloß steckte in meinem Hals, dennoch versuchte ich diesen zu schlucken, was jedoch kaum gelang, mir wurde flau im Magen. Mein Verstand sagte mir das ich mit Peter reden musste, früher oder später, wobei mir später in diesem Moment lieber wäre oder wahlweise nie. Es musste geklärt werden, egal wie lange ich es hinausschieben wollte, früher war wohl besser. Wie ferngesteuert stand ich auf und ging durch die Terrassentür in Richtung meines Handys. In diesem Moment endete das Vibrieren, wie von selbst atmete ich erleichtert aus. Mein Blick auf es gerichtet, als könnte es mich jeden Moment anspringen. Erneut startete ein Anruf, nach einem kurzen Zögern, das jeder andere als lang eingestuft hätte, hob ich ab. “Hey …, ich weiß nicht, ob ich schon mit dir reden kann, nach letztens … Ich weiß nicht, wie ich darüber denken soll.” Am anderen Ende des Hörers herrschte Stille, Tränen sammelten sich bereits in meinen Augen. Es war ein Fehler gewesen, ich war noch nicht breit dafür. Alle Emotionen kamen hoch, mir wurde schlecht und ein Schluchzen kam über meine Lippen.

© Elina 2024-08-20

Genres
Novels & Stories
Moods
Emotional, Angespannt, Challenging