Du musst für deine Sache brennen! Schon klar. Aber ausbrennen? Wohl eher nicht. Es gibt einen verlässlichen Weg in die Depression: Von sich selbst zu verlangen, immer, und zwar rund um die Uhr und in jeder Situation, „on fire“ zu sein. Begeistert, voller Leidenschaft und Energie, voller Tatendrang und Umsetzungskraft, voller Hingabe, Präsenz und Empathie im Umgang mit Anderen. Wer „High Performance“ und „High Energy“ als unentwegten Dauerzustand praktiziert, dem wird irgendwann die Luft ausgehen. Das wäre in etwa so, als würde ein Spitzensportler permanent Turniere spielen, ganz ohne Trainings- und Ruhephasen. Die Ruhe ist dort Teil des Trainings. Frei nach dem Motto: Jede „on-time“ braucht „down-time“. Jede Energie, die investiert wird, will zunächst einmal produziert werden. Ich hatte darüber einmal ein beeindruckendes Gespräch mit einem sehr erfolgreichen Seminar-Trainer, der mir sein Konzept dazu erklärte. Für jedes Halbtages-Seminar buchte er einen halben Auftank-Tag in seinen Kalender. So einfach, so gut. Er verstehe es als Teil seines Jobs, Energie zu tanken, die er danach in seinen Seminaren an die Teilnehmer weitergebe. Was für ein Profi!
Der gelernte Selbstkasteier sieht das natürlich anders. Ich muss performen. Ich muss abliefern. Ich muss das schaffen. Ich muss. So als wärst du eine Maschine, die einfach funktionierten muss. Dein Auto pflegst du wie ein Juwel. Dein Haustier bekommt nur das Beste. Aber du, du musst einfach funktionieren. Und wehe, wenn du einmal nicht funktionierst, dann haust du dir mit der Keule gleich mal eine drauf. Ist ja nur konsequent von jemandem, der seine starken Momente unterdurchschnittlich würdigt, sich für seine schwachen überdurchschnittlich zu verteufeln. Einmal nicht im sprichwörtlichen Flow und schon kommt die Angst: Warum bin ich nicht gut drauf? Warum bin ich nicht motiviert? Eine Frage, die in etwa so vernünftig ist, wie sich zu fragen, warum man nicht schlafen kann, wenn man nachts wach liegt. Je mehr man schlafen will, umso weniger funktioniert’s. Kann ich aus eigener, erfreulicherweise abgeschlossener Erfahrung berichten. Schlafen ist ein Zustand, du kannst es nicht tun. Alles was du tun kannst, ist die besten Rahmenbedingungen zu schaffen. Das Ergebnis ist dann: Schlaf. So funktioniert’s auch mit deiner Energie, deinem Drive und deiner Zuversicht.
Sei gut zu dir – beute dich nicht aus und verlange nichts Unmenschliches. Sei nett zu dir – hör auf, dauernd auf dich einzuhacken. Sei dir was wert – bereite dir Freude mit schönen Erlebnissen. Schau auf dich – achte deinen Körper, deine Gesundheit. Gib dich nur mit dem Besten zufrieden – bei Menschen ebenso, wie bei allem anderen. Gönn’ dir was – egal ob Ruhe oder eben mal ein kleines Tief. Kein schlechter Gedanke kann alles zerstören. Ich für meinen Teil werde mich für den Abschluss dieser Zeilen heute feiern. Mit einer Portion Nichtstun und einer Prise Faulheit. Morgen geht’s dann wieder weiter.
© Philipp Maderthaner 2019-09-04