Abschied vom Herbst

Sabine Benedukt

by Sabine Benedukt

Story

Seit gestern weht ein eisiger Wind und morgens war unsere Wiese schon zweimal angezuckert. Die Gemütlichkeit zieht wieder im Haus ein, längst vorbei sind die Tage im Gartenstuhl, die Möbel sind eingewintert. Ein bisschen Wärme haben wir mit hereingenommen: die letzten Cocktailtomaten werden in der Küche auf einem Teller nach und nach rot und lassen sich gut in den grünen Salat mischen.

Der Garten ist nun auch auf die Kälte vorbereitet. Wie jedes Jahr habe ich die Gemüsebeete mit Laub und die Rosen nach dem Anhäufeln mit Tannenreisig abgedeckt. Eine der letzten Blüten hat dabei mit einer einzigen Berührung von mir alle Blätter verloren, so als hätte sie sich vor Kälte geschüttelt, wie ein Mensch, den es fröstelt. Ich hoffe, ich habe sie nicht verärgert. Die Himbeeren haben noch Nahrung vom Komposthaufen bekommen, dafür haben sie mir noch ein paar Beeren geschenkt, ein letzter Himbeergruß sozusagen. Auch die Kraniche haben sich auf ihrem Flug in den Süden wieder lautstark verabschiedet. Und ein sehr seltenes Zusammentreffen gibt es gerade in unserem Garten: Ein vom Wind zerrupfter Sonnenhut blüht noch immer, er lässt sich von den nebeligen Novembertagen nicht abschrecken. Neben ihm kam eine neugierige Primelblüte in Rosa heraus als wollte sie sagen „was machst Du denn noch da?“ Jetzt sitzen sie nebeneinander, Pflanzen kommunizieren ja. Vielleicht schwärmt der Sonnenhut dem Primelchen in blumigen Worten von den heißen Sommertagen vor, und der Nacht als endlich der ersehnte Regen kam. Dafür erfährt er wie schön der Frühling ist, den er jedes Jahr verpasst.

Die Herbstfärbung geht dem Ende zu, die Berberitze, mit ihren kleinen orange-roten Blättern, ist eine der letzten. Genau wie der Storchschnabel, er legt seine gefächerten Blätter in grün, gelb und dunkelrot auf eine kleine Steinmauer. Beim Spazierengehen kann man mit etwas Fantasie tausende gelbe und rote Sterne am Boden sehen, die Ahornblätter flüstern uns müde zu: Der Advent ist nicht mehr weit. Mit der Kälte, dem Nebel und der frühen Dunkelheit zieht es uns hinein, zum Nüsse knacken, Lebkuchen backen und zum langsamen Vorbereiten der Weihnachtsgeschenke. Das alte Backbuch meiner Mutter krame ich nun wieder hervor, um die Einkaufsliste zu schreiben, ich brauche Zutaten für so manche Köstlichkeit, die es nur um diese Jahreszeit gibt.

Einen Christstollen habe ich schon gebacken. Der hat den Handwerkern, die gerade im Haus sind, geschmeckt.  Dieses Jahr muss es einen ausgiebigen Weihnachtsputz geben, durch die Baustelle ist der Staub überall. Sonst nehmen wir das ja nicht gar so genau. Es heißt also noch ein paar Tage abwarten, bis alles wieder an seinem Platz ist, damit dann die Strohsterne ins Fenster gehängt werden können, und die Holzengel draußen in die Tannenbäume. Einen schönen, natürlichen Adventskranz werden wir uns besorgen, aber an die Haustür kommt ein selbst gebundener, für mehr reichen leider meine handwerklichen Fähigkeiten nicht. So ist es: Der Herbst muss sich schön langsam auf den Weg machen, er macht dem Winter und der Adventszeit platz. Es hat eben alles seine Zeit. 


© Sabine Benedukt 2024-11-24

Genres
Novels & Stories
Moods
Emotional, Hoffnungsvoll, Inspirierend, Unbeschwert
Hashtags