Ach!

Martina Verant

by Martina Verant

Story

Ach, wie gut schmeckte einst der Schokopudding mit anschließendem Mäulchenlecken. Vanille kam gar nicht infrage, denn die ist ja nicht braun. Mein Lieblingspulli war orange. Der einzige Vogel, den ich kannte, war die Amsel. Sie sei sehr anpassungsfähig, ein bisschen wie ich, meinte meine Mutter.

Wann genau der Pudding anfing nicht mehr zu schmecken, das kann ich nicht mehr sagen. Meine Erinnerung hat keinen Kalender. Meist stöpselt sie auch Dinge zusammen, die gar nicht viel miteinander zu tun haben. Meine inneren Augen sehen immer noch recht viel. Ich sehe meine Mutter sich vor Lachen biegen, weil ich ihr Germ statt Hefe brachte. Oh, wie schön waren die Ferien auf der Hütte bei Kaltwasser und Nutellabrot. Der Gasstrumpf ließ sein Licht nur erstrahlen, solange er kein Loch hatte.

Anders als die selbstgestrickten Socken. Je mehr Löcher, desto inniger meine Beziehung zu ihnen. Es wärmt wohl auch das Bündchen!

Doch Lieblingserinnerungen, den schönen-Momente-Speicher kann ich auch heute noch befüllen. Ich versuche es täglich. Der 28.5. der Cello-Vorspielabend war so ein Tag. Es wäre der 99. Geburtstag von Joschi, würde er noch unter uns weilen. Ungeachtet dessen saß er an jenem Abend neben mir und applaudierte der Künstlerin. Sie hatte auch 2 Plätze reserviert.

Magst du mit mir in die Oper gehen, fragte sie mich nach dem Konzert? Le nozze de Figaro? Natürlich! Wir verließen die Pizzeria, streunten noch durch Hall und entdeckten die Fliegenklatsche in Leder um 8 Euro! Die muss ich haben, die ist sicher mega-wirksam. So nun kam der Moment des Abschieds. Danke für den besonderen Abend, Joschi und ich genossen es sehr. Ich freue mich auf die Oper morgen. Weißt du was? Wir schauen, was Figaro nach der Aufführung macht. Dort gehen wir dann auch hin und “nozzen” ihn her – nimm doch die Klatsche mit. Pfiati! Ich fuhr mit dem Rad nach Hause. Hernozzen Martina! Was fiel dir da wieder ein? Das neue Lachwort. Fahr geradeaus, dass du nicht vom Rad fällst. 

Zu Hause angekommen, lachte ich noch immer. Wo war meine Beherrschung? Le nozze, der Figaro – der Hundling, gleich in der Mehrzahl heiratete er! Typisch! Die etymologische Suche ergab, dass es sich beim Mehrzahlwort um die Eheschließung handelte.

Die Nacht war traumlos. Der nächste Tag verregnet. Ich nahm den Zug. So morgendlich vernebelt konnte ich gar nicht sein, dass mich nicht dasselbe Kitzeln im Magen ereilte, beim Gedanken an den Figaro, der von uns “hergenozzt” wurde. Am Bahnhof um 8.00 Uhr morgens lachte ich laut mit mir ALLEINE. Ach, wie peinlich ist das Älterwerden. Ach, wie deliziös war doch der Schokopudding als Kind. Ach, wie egal ist es, wenn man alleine laut vor sich hin lacht, komische Blicke erntet. Ach, wie beneidet wird man doch von den anderen. Oh, keiner gäbe es jemals zu. Zu prekär!

Kongenial – mein Kind in mir. Es sorgt für ewig neue Erinnerungen. Ach danke!


© Martina Verant 2024-06-05

Genres
Humor & Satire
Moods
Komisch
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